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Hausarztfälle in der Notaufnahme: Abgrenzung von Notfällen anhand von klinischen Routinedaten aus dem Notaufnahmedokumentationssystem
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Published: | September 30, 2022 |
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Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Die Inanspruchnahme von Notaufnahmen in Deutschland ist gleichbleibend sehr hoch. Dies führt seit Jahren zu einer permanenten Herausforderung die Versorgung für Patienten angemessen sicher zu stellen. Aus dem klinischen Alltag ist ersichtlich, dass es zwei Arten der Inanspruchnahme gibt: prinzipiell „hausärztlich behandelbare Fälle“ versus „Notaufnahmefälle“. Um die Behandlungsfälle entsprechend charakterisieren und gegebenenfalls Anpassungen planen zu können diese „hausärztlich behandelbaren Fälle“ in die angemessenere Behandlungsebene zu bringen, bedarf es einer pragmatischen Zuordnung der Notaufnahmekontakte.
Fragestellung und Zielsetzung: Die Unterscheidung auf Basis gut verfügbarer Routinedaten zwischen „hausärztlich behandelbarer Fälle“ in der Notaufnahme und Notfällen soll entwickelt werden.
Methode oder Hypothese: Auf Basis eines interdisziplinären Expertenkonsenses wurde aus Routinedaten der klinischen Dokumentation in der Notaufnahme unter Beachtung der Datenverfügbarkeit und -qualität ein Fließschema entwickelt.
Ergebnisse: Im ersten Schritt wurden, ausgehend vom Weg der Patienten, gut verfügbare Datenpunkte in der Notaufnahmedokumentation ermittelt und im Fließschema integriert. Es resultierten drei Zuordnungsschritte. Als „Notfall“ wurde zunächst zugeordnet, wenn der Patient stationär aufgenommen wurde oder verstarb. In dieser Weise nicht zugeordnete Fälle mit medizinisch begleiteten Transport wurden ebenfalls als „Notfall“ eingeordnet. Im letzten Schritt wurde die Triagierung in die dringlichen Kategorien 1–3 ebenfalls als „Notfall“ eingestuft. Notaufnahmekontakte mit einer Triagierung von 4 oder 5 sind der „hausärztlich zu behandelnden“ Gruppierung und alle restlichen nicht gruppierten als „unspezifisch“ zugeordnet. Geprüft wurde zudem der Einbezug der Schmerzscala, der Bewusstseinseinschätzung, der Bildgebung, Vitalparameter und der Notaufnahmediagnose. Diese sind jedoch zum Teil deutlich schlechter dokumentiert und es wurde keine verbesserte Gruppierung erreicht.
Somit wurden insgesamt 64,7% aller Notaufnahmekontakte der Gruppe der „Notfälle“, 33,2% den „hausärztlich behandelbaren Fällen“ und lediglich 2,2% der „unspezifischen“ Gruppe zugeordnet.
Diskussion: Das hier entwickelte Vorgehen entspricht dem Qualitätsindikator für die ambulante Versorgung im australischen Raum und konnte erstmals für den deutschen Gesundheitssektor validiert werden.
Praktische Implikationen: Die Zuordnung der potentiell „hausärztlich behandelbaren Fälle“, erlaubt erstmals deren Quantifizierung im deutschsprachigen Raum. Anders als ursprünglich angenommen, liegt die Größenordnung im international vergleichbaren Rahmen.
Appell für die Praxis (Wissenschaft und/oder Versorgung) in einem Satz: Hausarztpatienten stellen nur einen kleineren Teil der Notaufnahmepopulation dar. Ob deren Versorgung rational außerhalb der Notaufnahme organisiert werden kann bleibt offen.