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21. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

05.10. - 07.10.2022, Potsdam

Krankenhausweite Implementierung von Shared Decision Making: Praktikabilität und Wirksamkeit des SHARE TO CARE-Programms

Meeting Abstract

  • Leonie Sundmacher - Lehrstuhl für Gesundheitsökonomie, Technische Universität München, München, Deutschland
  • Sebastian Franke - Lehrstuhl für Gesundheitsökonomie, Technische Universität München, München, Deutschland
  • Saskia Kropp - Lehrstuhl für Gesundheitsökonomie, Technische Universität München, München, Deutschland
  • Fülöp Scheibler - Nationales Kompetenzzentrum Shared Decision Making, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Kiel, Deutschland
  • Jens Ulrich Rüffer - TakePart Media+Science GmbH, Köln, Deutschland
  • Friedemann Geiger - Nationales Kompetenzzentrum Shared Decision Making, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Kiel, Deutschland

21. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Potsdam, 05.-07.10.2022. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2022. Doc22dkvf291

doi: 10.3205/22dkvf291, urn:nbn:de:0183-22dkvf2912

Published: September 30, 2022

© 2022 Sundmacher et al.
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Text

Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Shared Decision Making (SDM) erfüllt das Patientenrechtegesetz und ist integraler Teil des WHO-Aktionsplans zur Erhöhung der Patientensicherheit. Dennoch ist SDM bislang kein Standard in Deutschland.

Im Innovationsfondsprojekt „MAKING SDM A REALITY“ wurde SDM mit dem SHARE TO CARE-Programm (S2C) im gesamten Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel (UKSH), implementiert durch Integration von vier ineinandergreifenden Modulen: Training aller Ärzt:innen, der Pflege, Patientenaktivierung und evidenzbasierte Online-Entscheidungshilfen.

Fragestellung und Zielsetzung: In dieser Studie wurde untersucht, ob sich das S2C-Programm zur krankenhausweiten Implementierung von SDM bewährt in Bezug auf Praktikabilität und Wirksamkeit.

Methode oder Hypothese: In einem Prä-Post-Design wurde die Wirksamkeit des Programms zur Steigerung des SDM-Levels als primärer Endpunkt untersucht. Dafür diente der validierte Patientenfragebogen Perceived Involvement in Care Scale (PICS). Zusätzlich wurden Videoaufnahmen ärztlicher Entscheidungsgespräche mit Patient:innen durch verblindete Rater:innen mithilfe des Multifocal Approach to the Sharing in SDM (MAPPIN’SDM) analysiert. Sekundäre Endpunkte waren zwei Fragebögen zur Erfassung des SDM-Levels (CollaboRATE) bzw. der Entscheidungsvorbereitung (Preparation for Decision Making; PrepDM).

Die Praktikabilität wurde anhand des erreichten Implementierungsgrads im UKSH sowie mittels einer Prozessevaluation beurteilt.

Ergebnisse: Das SHARE TO CARE-Programm konnte in 19 von 22 Kliniken erfolgreich durchgeführt werden. Die Prozessevaluation bestätigte anhand von qualitativen Interviews mit dem Klinikpersonal im Wesentlichen die Praktikabilität.

In die krankenhausweite Wirksamkeitsanalyse wurden 15 Kliniken eingeschlossen; 7 konnten fallzahlbedingt zusätzlich isoliert analysiert werden. Dabei zeigte sich im Gesamtklinikum gemäß PICS ein signifikanter Anstieg der Patientenbeteiligung. Stratifiziert nach Kliniken mit signifikantem Zuwachs waren die Effekte erwartungskonform mittelgroß (Hedges‘ g=0,5). Mittels Regressionsanalysen unter Einbezug von Kontrollvariablen konnten Kohortenunterschiede zwischen den Messzeitpunkten ausgeschlossen werden. Die Ergebnisse der sekundären Endpunkte PrepDM und CollaboRATE waren analog. In einer Follow up-Messung in zwei Kliniken nach 6 bzw. 18 Monaten blieb das SDM-Level signifikant erhöht.

Die Analyse von Gesprächsvideos mittels MAPPIN’SDM zeigte ebenfalls einen signifikanten SDM-Anstieg (Hedges´ g=0,7).

Diskussion: Das SHARE TO CARE-Programm erwies sich als praktikabel und wirksam zur krankenhausweiten Implementierung von SDM. Der Einfluss der Covid-19-Pandemie ließ sich nicht genau bemessen. In weiteren Analysen (Coors 2022) zeigte sich zudem eine Senkung von Notfalleinweisungen und Gesamtkosten.

Praktische Implikationen: Durch einen Selektivvertrag erlösen Kliniken mit S2C-Zertifikat am UKSH ein Zusatzentgelt für SDM. Die Überführung von SDM in die Regelversorgung wird vom G-BA geprüft.

Appell für die Praxis: Das SHARE TO CARE-Programm eignet sich zur krankenhausweiten Implementierung von Shared Decision Making.

Förderung: Innovationsfonds/Versorgungsforschung; NVF17009