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21. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

05.10. - 07.10.2022, Potsdam

Welche Rolle spielt die Zweitmeinung im Entscheidungsprozess für einen elektiven Eingriff? Eine Frameworkanalyse und Typenbildung

Meeting Abstract

  • Susann May - Medizinische Hochschule Brandenburg - Theodor Fontane, Neuruppin, Deutschland
  • Dunja Bruch - Medizinische Hochschule Brandenburg - Theodor Fontane, Neuruppin, Deutschland
  • Felix Muehlensiepen - Medizinische Hochschule Brandenburg - Theodor Fontane, Neuruppin, Deutschland
  • Barbara Prediger - Universität Witten/Herdecke, Institut für Forschung in der Operativen Medizin (IFOM), Köln, Deutschland
  • Cecile Ronckers - Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Oldenburg, Deutschland
  • Edmund Neugebauer - Medizinische Hochschule Brandenburg - Theodor Fontane, Neuruppin, Deutschland
  • Sebastian von Peter - Medizinische Hochschule Brandenburg - Theodor Fontane, Neuruppin, Deutschland

21. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Potsdam, 05.-07.10.2022. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2022. Doc22dkvf288

doi: 10.3205/22dkvf288, urn:nbn:de:0183-22dkvf2887

Published: September 30, 2022

© 2022 May et al.
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Text

Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Gesundheitssysteme stehen vor der Herausforderung, eine angemessene Versorgung ohne Unter- oder Überversorgung zu gewährleisten. Um dem Problem der Überversorgung in Deutschland zu begegnen, wurde im Dezember 2018 die Zweitmeinungsrichtlinie (Zm-RL) implementiert.

Fragestellung und Zielsetzung:

  • Wie erleben Patient:innen den Prozess der Entscheidungsfindung für eine elektive Operation?
  • Welche Rolle spielt die Einholung einer Zweitmeinung (ZM) in diesem Prozess?
  • Welche Arten von Entscheidungsverhalten können identifiziert werden?

Methode oder Hypothese: Von Oktober bis Dezember 2020 wurden Interviews mit 62 versicherten Personen der AOK-Nordost nach einem elektiven Eingriff (Hysterektomie, Tonsillektomie, Schulterarthroskopie) geführt, transkribiert und mittels induktiver thematischer Analyse ausgewertet. Anschließend wurde eine Typenbildung durchgeführt.

Ergebnisse: Der Zeitraum, in dem Patient:innen die Entscheidung für eine Operation treffen, ist unterschiedlich lang und wird beeinflusst durch verschiedene Faktoren, wie der Art der Arzt-Patienten-Beziehung, individuellen Patientenaspekten sowie Erfahrungen im Gesundheitssystem. Aus den Daten konnten vier verschiedene Entscheidungstypen abgeleitet werden, die sich hinsichtlich des Entscheidungszeitpunktes sowie der Inanspruchnahme einer ZM unterscheiden.

Diskussion: Die Inanspruchnahme einer ZM hängt von dem Zeitpunkt ab, an dem die Entscheidung für eine OP getroffen wird. Demnach ist das Zeitfenster, in dem Patient:innen eine ZM in Anspruch nehmen könnten, je nach Typ, unterschiedlich groß. Dabei erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass eine ZM in Anspruch genommen wird, je länger die Entscheidung hinausgeschoben wird und je unsicherer die Patient:innen sind. Mit Hilfe der Ergebnisse wird die Relevanz von umfassender Aufklärung und Informationsvermittlung im Zuge von Indikationsstellungen von Operationen durch die erstbehandelnden Ärzt:innen offensichtlich.

Praktische Implikationen: Eine patientenzentrierte Versorgung sowie der Einsatz von differenzierten Entscheidungshilfen können womöglich einen wesentlichen Beitrag leisten, der Überversorgung entgegenzuwirken.

Appell für die Praxis (Wissenschaft und/oder Versorgung) in einem Satz: Eine Validierung der vorliegenden Ergebnisse mittels prospektiver Studien ist erforderlich.

Förderung: Innovationsfonds/Versorgungsforschung; 01VSF18014