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21. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

05.10. - 07.10.2022, Potsdam

Welche Auswirkungen hat die Schließung einer pädiatrischen Abteilung eines kleineren Krankenhauses auf die Inanspruchnahme medizinischer Versorgung umliegender Krankenhäuser?

Meeting Abstract

  • Luisa Tischler - Institut für Community Medicine, Universitätsmedizin Greifswald, Versorgungsepidemiologie und Community Health, Greifswald, Deutschland
  • Angelika Beyer - Institut für Community Medicine, Universitätsmedizin Greifswald, Versorgungsepidemiologie und Community Health, Greifswald, Deutschland
  • Kilson Moon - Institut für Community Medicine, Universitätsmedizin Greifswald, Versorgungsepidemiologie und Community Health, Greifswald, Deutschland
  • Wolfgang Hoffmann - Institut für Community Medicine, Universitätsmedizin Greifswald, Versorgungsepidemiologie und Community Health, Greifswald, Deutschland
  • Neeltje van den Berg - Institut für Community Medicine, Universitätsmedizin Greifswald, Versorgungsepidemiologie und Community Health, Greifswald, Deutschland

21. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Potsdam, 05.-07.10.2022. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2022. Doc22dkvf273

doi: 10.3205/22dkvf273, urn:nbn:de:0183-22dkvf2736

Published: September 30, 2022

© 2022 Tischler et al.
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Text

Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Die Lage in deutschen Kinder- und Jugendkliniken ist häufig angespannt. Insbesondere in ländlichen Regionen stehen Krankenhäuser im Konflikt zwischen wirtschaftlichen Zwängen, knappen Personalressourcen und der Notwendigkeit, eine qualitativ hochwertige und wohnortnahe Versorgung anzubieten. Dies führt dazu, dass sich Kliniken von der Notfallversorgung abmelden oder die Pädiatrie schließen müssen. Es ist wenig bekannt, wie sich Schließungen von Pädiatrien auf die Patientenflüsse in der Region auswirken.

Fragestellung und Zielsetzung: Es wurde untersucht, welche Auswirkungen die Schließung der Pädiatrie eines Kreiskrankenhauses Anfang 2016 auf die Patientenflüsse in der Region hatte.

Methode oder Hypothese: Analyse-Grundlage waren Controlling-Daten der Krankenhäuser und des Rettungsdienstes der Region aus fünf Jahren (2015–19), die zusammengeführt und deskriptiv ausgewertet wurden. Einschlusskriterien waren das Alter bei erstem Behandlungstag des Falles (bis 18 Jahre) und der Wohnort in einem von 12 Postleitzahlbereichen aus der Umgebung des von der Schließung betroffenen Krankenhauses (Rettungsdienst: Einsatzort).

Ergebnisse: Es wurden 35.414 pädiatrische Fälle aus drei Krankenhäusern analysiert. Es zeigte sich, dass nach der Schließung einer pädiatrischen Abteilung die Anzahl der stationären Fälle in der Region insgesamt um 44% abgenommen hat (von 1.787 in 2015 auf 1.193 in 2016). In den Folgejahren blieb die Anzahl der stationären Fälle in der Region stabil. Die Anzahl der ambulanten Fälle verringerte sich um 11% (von 6.260 in 2015 auf 5.598 in 2016). Mit Öffnung einer Kinderportalpraxisklinik in 2017 wurde wieder eine Zunahme der Anzahl der ambulanten Fälle beobachtet. Insgesamt fanden im analysierten Zeitraum 2.575 RTW-Einsätze bei unter 18-Jährigen statt. Die deutlichste Veränderung ist im Jahr 2016 mit der Schließung zu beobachten. Im Jahr 2019 betrug der Anstieg 44% gegenüber 2015 (von n = 398 auf n = 572).

Diskussion: Die Ergebnisse zeigen, dass die Inanspruchnahme pädiatrischer Krankenhausleistungen insgesamt abnahm. Obwohl die Inanspruchnahme des Rettungsdienstes sich auch leicht erhöhte, kann die Schlussfolgerung gezogen werden, dass in der Region zwei pädiatrische Abteilungen für die stationäre Versorgung ausreichen. Die Eröffnung der Kinderportalpraxisklinik zeigte jedoch auch, dass eine zuverlässig geöffnete Anlaufstelle für akut erkrankte Kinder von der Bevölkerung in Anspruch genommen wird und einen Beitrag zur regionalen Versorgung liefern kann.

Praktische Implikationen: Es bedarf innovativer und sektorenübergreifender Versorgungskonzepte mit regionalem Bezug, um langfristig eine hochwertige pädiatrische und wohnortnahe Versorgung zu sichern.

Appell für die Praxis (Wissenschaft und/oder Versorgung) in einem Satz: Insbesondere in dünn besiedelten Regionen muss vor einem „Rückbau“ stationärer Strukturen genau geprüft werden, ob andere Möglichkeiten und alternative Versorgungsmodelle implementiert werden können.