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21. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

05.10. - 07.10.2022, Potsdam

Mixed Methods in der Praxis – Integration empirischer und normativer Analysen mithilfe eines Triangulation Protocols und darauf aufbauenden Online-Gruppendiskussionen

Meeting Abstract

  • Sabine Sommerlatte - Institut für Geschichte und Ethik der Medizin, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle (Saale), Deutschland
  • Celine Lugnier - Medizinische Klinik V, Klinik für Hämatologie, Onkologie mit Palliativmedizin, St. Josef-Hospital Bochum, Universitätsklinikum der Ruhr-Universität Bochum, Bochum, Deutschland
  • Helene Hense - Zentrum für evidenzbasierte Gesundheitsversorgung, Universitätsklinikum und medizinische Fakultät Carl Gustav Carus der Technischen Universität Dresden, Dresden, Deutschland
  • Anna-Lena Kraeft - Medizinische Klinik V, Klinik für Hämatologie, Onkologie mit Palliativmedizin, St. Josef-Hospital Bochum, Universitätsklinikum der Ruhr-Universität Bochum, Bochum, Deutschland
  • Olaf Schoffer - Zentrum für evidenzbasierte Gesundheitsversorgung, Universitätsklinikum und medizinische Fakultät Carl Gustav Carus der Technischen Universität Dresden, Dresden, Deutschland
  • Thomas Birkner - Zentrum für evidenzbasierte Gesundheitsversorgung, Universitätsklinikum und medizinische Fakultät Carl Gustav Carus der Technischen Universität Dresden, Dresden, Deutschland
  • Jochen Schmitt - Zentrum für evidenzbasierte Gesundheitsversorgung, Universitätsklinikum und medizinische Fakultät Carl Gustav Carus der Technischen Universität Dresden, Dresden, Deutschland
  • Anke Reinacher-Schick - Medizinische Klinik V, Klinik für Hämatologie, Onkologie mit Palliativmedizin, St. Josef-Hospital Bochum, Universitätsklinikum der Ruhr-Universität Bochum, Bochum, Deutschland
  • Jan Schildmann - Institut für Geschichte und Ethik der Medizin, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle (Saale), Deutschland

21. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Potsdam, 05.-07.10.2022. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2022. Doc22dkvf264

doi: 10.3205/22dkvf264, urn:nbn:de:0183-22dkvf2643

Published: September 30, 2022

© 2022 Sommerlatte et al.
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Text

Hintergrund und Stand (inter-)nationaler Forschung: Während der COVID-19-Pandemie kam es weltweit zu Veränderungen in der Krebsversorgung. So wurden weniger Tumordiagnosen gestellt bzw. Tumorpatient*innen behandelt, Behandlungen verschoben oder Therapieregimes verändert. Auch Veränderungen bei Vorsorge, Nachsorge sowie Palliativversorgung und supportiver Therapie wurden detektiert. Darüber hinaus sind und waren Patient*innen, Zugehörige und medizinisches Personal durch die Pandemie vielfältigen psychosozialen Belastungen ausgesetzt.

Fragestellung und Zielsetzung: Ziele des BMBF-geförderten CancerCOVID-Projekts waren

1.
die quantitative und qualitative Untersuchung der Auswirkungen auf die Krebsversorgung und damit einhergehende ethische Herausforderungen während der Pandemie am Beispiel des kolorektalen und Pankreaskarzinoms und
2.
darauf aufbauend die Entwicklung von Handlungsempfehlungen für Personal in der medizinisch-onkologischen Versorgung zur empirisch und ethisch begründeten Priorisierung von Maßnahmen im Falle einer Ressourcenknappheit.

Methode: In insgesamt drei Teilprojekten wurden Studienzentren- und Krankenkassendaten analysiert und eine quantitative Fragebogenerhebung zur Erfassung der psychosozialen Belastung von Patient*innen und medizinisch Tätigen sowie qualitative Interviews zu ethischen und psychosozialen Herausforderungen durchgeführt und ausgewertet. Die Ergebnisse der Teilprojekte wurden anschließend in einem Triangulation Protocol [1], [2] integriert. Darauf folgten insgesamt vier Online-Gruppendiskussionen mit Expert*innen aus Medizin (n=13), Pflege (n=2), Recht (n=2), Ethik (n=2), Kostenträgern (n=2) und Versorgungsforschung (n=1). Die strukturierte Diskussion erfolgte zu insgesamt drei Themenkomplexen:

1.
Diagnostik und Vorsorgeuntersuchungen,
2.
Vergabe von OP-Kapazitäten, System- und Strahlentherapie, und
3.
psychosoziale und Palliativversorgung.

Es wurden offene Fragen und verschiedene Stimuli eingesetzt, um die Expert*innen zur Diskussion über Kriterien für Prioritätensetzungen sowie deren Begründungen anzuregen. Als Stimuli dienten zum Beispiel qualitative Interviewzitate und Grafiken aus den quantitativen Analysen. Die Integration von empirischen und normativen Analysen erfolgte in Anlehnung an Prinzipien der „reflexive balancing“-Methode [3].

Ergebnisse: Die empirischen Analysen zeigen vielfältige Veränderungen bzw. Einschränkungen in der Krebsversorgung während der Pandemie auf. Die Ergebnisse konnten im Triangulation Protocol in mehreren Themenkomplexen strukturiert werden. In den Gruppendiskussionen wurden folgende Priorisierungskriterien diskutiert: Dringlichkeit, Erfolgsaussicht, Patient*innenpräferenzen, und Verfügbarkeit alternativer Behandlungsoptionen. Die Ergebnisse sind anschließend in die Entwicklung einer S1-Leitlinie [4] eingeflossen, welche sich derzeit in Abstimmung befindet.

Diskussion: Ein Triangulation Protocol stellt eine hilfreiche Methode dar, heterogene Ergebnisse von zunächst unabhängig voneinander ausgewerteten Teilprojekten zu integrieren. Die Formulierung sogenannter „Meta-Themen“ („metathemes“)1 nimmt dabei eine zentrale Rolle ein.

Förderung: Einzelförderung (BMG, DRV, BMBF, DFG, etc); 01KI20521A-C


Literatur

1.
Farmer T, Robinson K, Elliott SJ, Eyles J. Developing and Implementing a Triangulation Protocol for Qualitative Health Research. Qual Health Res. 2006; 16: 377-94. DOI: 10.1177/1049732305285708 External link
2.
O'Cathain A, Murphy E, Nicholl J. Three techniques for integrating data in mixed methods studies. BMJ. 2010; 341:c4587. DOI: 10.1136/bmj.c4587 External link
3.
Ives J. A method of reflexive balancing in a pragmatic, interdisciplinary and reflexive bioethics. Bioethics. 2014 Jul;28(6):302-12. DOI: 10.1111/bioe.12018 External link
4.
Arbeitsgemeinschaft Internistische Onkologie (AIO) in der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG e.V.) in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) et al. Priorisierung und Ressourcenallokation im Kontext der Pandemie. Empfehlungen für die Krebsversorgung am Beispiel gastrointestinaler Tumoren, Stand: 25.04.2022. Verfügbar unter: https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/018-039l_S1_Priorisierung-Ressourcenallokation-Pandemie-Krebsversorgung-gastrointestinaler-Tumoren_2022-04_1.pdf External link