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21. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

05.10. - 07.10.2022, Potsdam

Validität der Sepsiskodierung in Krankenhausabrechnungsdaten für Qualitätssicherung und epidemiologische Surveillance

Meeting Abstract

  • Daniel Schwarzkopf - Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Universitätsklinikum Jena, Jena, Deutschland
  • Norman Rose - Institut für Infektionsmedizin und Krankenhaushygiene, Universitätsklinikum Jena, Jena, Deutschland
  • Carolin Fleischmann-Struzek - Institut für Infektionsmedizin und Krankenhaushygiene, Universitätsklinikum Jena, Jena, Deutschland
  • Konrad Reinhart - Sepsis-Stiftung, Berlin, Deutschland

21. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Potsdam, 05.-07.10.2022. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2022. Doc22dkvf242

doi: 10.3205/22dkvf242, urn:nbn:de:0183-22dkvf2427

Published: September 30, 2022

© 2022 Schwarzkopf et al.
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Text

Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Sepsis ist eine führende Ursache vermeidbarer Todesfälle im Krankenhaus. Sozialdaten wurden zu Zwecken der Qualitätssicherung und epidemiologischen Surveillance der Sepsis verwendet, aber ihre Validität ist unbekannt.

Fragestellung und Zielsetzung: Wie valide werden Sepsisfälle über ICD-Kodierung in Krankenhausabrechnungsdaten erfasst?

Methode oder Hypothese: Design: Retrospektive Beobachtungstudie zur Prüfung der Validität der Sepsiskodierung in Abrechnungsdaten.

Stichprobe: Krankenhäuser: N=10 (7 Universitätsklinika und 3 Maximalversorger). Behandlungsfälle: vollstationär behandelt in den Jahren 2015–2017, Alter ab 15 Jahren. Vorgehen: Untersuchung einer disproportional geschichteten Zufallsstichprobe aus den Krankenhausabrechnungsdaten von 1.000 Behandlungsfällen je Haus; Sichtung aller verfügbaren Informationen der klinischen Routinedokumentation dieser Fälle durch trainierte Studienärzt*Innen zur Identifikation von Sepsisfällen („Goldstandarddiagnose“).

Analysen: Berechnung der Validität der ICD-Kodierung der Sepsis anhand Sensitivität, Spezifität, positivem prädiktivem Wert (PPV) und negativem prädiktivem Wert (NPV) bzgl. der Goldstandarddiagnose. Vergleich der Prävalenz und Krankenhausterblichkeit zwischen kodierten Fällen und Goldstandardfällen. Verwendung von Survey-Methoden zur Adjustierung für das Stichprobendesign.

Ergebnisse: Für die ICD-Kodierung der schweren Sepsis zeigte sich Sensitivität = 34,4% [95% CI: 21,6%; 49,9%], Spezifität = 99,8% [99,6%; 99,8%], PPV = 83,3% [71,6%; 90,8%], und NPV = 97,8% [97,4%; 98,2%]. Die Sensitivität variierte stark zwischen Krankenhäusern (Min. = 10,7%, Max. = 58,5%). Von allen Krankenhausfällen wiesen 1,4% [0,8%; 2,3%] einen ICD-Code für schwere Sepsis auf, die Krankenhausterblichkeit lag bei 41,9% [29,1%; 55,9%]; laut Aktensichtung lag die Prävalenz der schweren Sepsis bei 3,3% [2,6%; 4,1%], die Krankenhaussterblichkeit bei 27,8% [21%; 35,8%].

Diskussion: Die Validität der ICD-Kodierung der Sepsis in Abrechnungsdaten ist gering und schwankt stark zwischen Krankenhäusern. In der Folge wird die Fallzahl der Sepsis auf dieser Datengrundlage in Deutschland erheblich unterschätzt, die Krankenhaussterblichkeit jedoch überschätzt.

Praktische Implikationen: Auf Basis von Abrechnungsdaten können Qualitätssicherung und epidemiologische Surveillance für die Sepsis nicht valide umgesetzt werden. Die Abbildbarkeit der Sepsis in Sozialdaten muss insbesondere für ein Qualitätssicherungsverfahren des G-BA verbessert werden.

Appell für die Praxis (Wissenschaft und/oder Versorgung) in einem Satz: Die Versorgungsforschung muss die Eignung von Sozialdaten zur sekundären Nutzung für spezifische Zwecke kritisch empirisch überprüfen.

Förderung: Innovationsfonds/Versorgungsforschung; 01VSF17035