gms | German Medical Science

21. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

05.10. - 07.10.2022, Potsdam

Förderliche und hemmende Faktoren einer leitlinienorientierten Versorgung beim chronischen Koronarsyndrom in Deutschland: Eine qualitative Befragung von Hausärzt:innen und niedergelassenen Kardiolog:innen im Zuge der ENLIGHT-KHK-Studie

Meeting Abstract

  • Marie Naumann - Institut für Gesundheitsökonomie u. Klinische Epidemiologie der Universität zu Köln, Köln, Deutschland
  • Yana Seleznova - Institut für Gesundheitsökonomie u. Klinische Epidemiologie der Universität zu Köln, Köln, Deutschland
  • Bastian Wein - I. Med. Klinik für Kardiologie, Pneumonologie und Endokrinologie des Universitätsklinikums Augsburg, Augsburg, Deutschland
  • Stephanie Stock - Institut für Gesundheitsökonomie u. Klinische Epidemiologie der Universität zu Köln, Köln, Deutschland
  • Dirk Müller - Institut für Gesundheitsökonomie u. Klinische Epidemiologie der Universität zu Köln, Köln, Deutschland

21. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Potsdam, 05.-07.10.2022. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2022. Doc22dkvf226

doi: 10.3205/22dkvf226, urn:nbn:de:0183-22dkvf2266

Published: September 30, 2022

© 2022 Naumann et al.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution 4.0 License. See license information at http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Outline

Text

Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Zahlreiche Studien setzen sich unter verschiedenen perspektivischen und methodischen Vorzeichen mit Bedingungen und Folgen einer von klinischen Leitlinien abweichenden Versorgung auseinander. Form und Ausmaß von Abweichungen in der Versorgung des chronischen Koronarsyndroms (CCS) sind in Deutschland dabei weitgehend unerforscht, v.a. im Hinblick auf die Indikationsstellung im niedergelassenen Bereich.

Fragestellung und Zielsetzung: Ziel dieser in der ENLIGHT-KHK-Studie angesiedelten qualitativen Befragung ist es, aus Sicht von Hausärzt:innen und niedergelassenen Kardiolog:innen zu erfassen, welche Faktoren eine im Einklang mit klinischen Leitlinien stehende CCS-Versorgung bzw. CCS-Indikationsstellung fördern und/oder hemmen (einschlägig: NVL Chronische KHK 2019, ESC-Guideline Chronic Coronary Syndromes 2019).

Methode oder Hypothese: Datengrundlage bilden leitfadengestützte Einzelinterviews (N=15), die von November 2020 bis April 2021 telefonisch mit in Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Hamburg praktizierenden Hausärzt:innen (n=10) und niedergelassenen Kardiolog:innen (n=5) geführt wurden. Die Auswertung erfolgt über einen qualitativ-inhaltsanalytischen Ansatz.

Ergebnisse: Die Auswertung verweist auf eine Vielfalt von förderlichen und/oder hemmenden, sich zum Teil wechselseitig bedingenden Faktoren für eine leitlinienorientierte CCS-Versorgung bzw. CCS-Indikationsstellung; darunter

1.
Patient:innenfaktoren (etwa Eigeninteressen, die sich als Präferenzen für spezifische Diagnostiken/Therapien und/oder Ärzt:innen ausdrücken, oder ihre (Nicht)Eignung für bestimmte Diagnostiken/Therapien),
2.
Leistungserbringer:innenfaktoren (etwa Abklärungsentscheidungen aus Vorsicht oder Zeitdruck),
3.
Leitlinienfaktoren (etwa deren versorgungspraktische Fundierung oder Entlastungspotenzial) sowie
4.
Gesundheitssystemfaktoren (etwa hinsichtlich räumlicher Zugänge zu oder Vergütung von Diagnostiken/Therapien).

Diskussion: Hinsichtlich der identifizierten Einflussfaktoren und Aggregationsebenen korrespondiert die Auswertung mit Ergebnissen ähnlicher Studien. Inwiefern die herausgearbeitete Faktorenfiguration die intra- oder transregionale Versorgungssituation abbildet, auf andere Erkrankungsfelder übertragbar ist oder zur theoretischen Synthese der bisherigen Studienlage beitragen kann, ist zu erörtern.

Praktische Implikationen: Die Ergebnisse können die Weiterentwicklung von Versorgungsformen und klinischen Leitlinien informieren. So sehen die Interviewten etwa eine Revision gegenwärtiger Vergütungs- und Steuerungslogiken als notwendige Bedingung einer leitlinienorientierten Praxis, betonen aber auch die Notwendigkeit einer stärkeren Einbindung der versorgungspraktischen Sicht in Leitlinienerstellungsprozessen.

Appell für die Praxis (Wissenschaft und/oder Versorgung) in einem Satz: Auf die Auslotung von Potenzialen und Grenzen einer wechselseitigen Annäherung von Versorgungspraxis und Leitlinienempfehlung sollten Forscher:innen und Praktiker:innen fortwährend ein Augenmerk legen.

Förderung: Innovationsfonds/Versorgungsforschung; 01VSF17011