gms | German Medical Science

21. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

05.10. - 07.10.2022, Potsdam

Qualität als Hemmschuh bei der Nutzung von Registerdaten? Wie ein mehrstufiges Qualitätssicherungskonzept Datensätze retten und die Nutzbarkeit erhöhen kann

Meeting Abstract

  • Henriette Rau - Unabhängige Treuhandstelle der Universitätsmedizin Greifswald K.d.ö.R., Greifswald, Deutschland
  • Martin Bialke - Universitätsmedizin Greifswald K.d.ö.R., Institut für Community Medicine, Abteilung Versorgungsepidemiologie und Community Health, Greifswald, Deutschland
  • Thomas Litschko - Universitätsmedizin Greifswald K.d.ö.R., Institut für Community Medicine, Abteilung Versorgungsepidemiologie und Community Health, Greifswald, Deutschland
  • Thomas Bahls - Universitätsmedizin Greifswald K.d.ö.R., Institut für Community Medicine, Abteilung Versorgungsepidemiologie und Community Health, Greifswald, Deutschland
  • Dana Stahl - Unabhängige Treuhandstelle der Universitätsmedizin Greifswald K.d.ö.R., Greifswald, Deutschland

21. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Potsdam, 05.-07.10.2022. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2022. Doc22dkvf224

doi: 10.3205/22dkvf224, urn:nbn:de:0183-22dkvf2241

Published: September 30, 2022

© 2022 Rau et al.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution 4.0 License. See license information at http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Outline

Text

Hintergrund und Stand (inter-)nationaler Forschung: Medizinische Forschung erhebt neben den medizinischen Daten (MDAT) meist auch personenidentifizierende Daten, wie Einwilligungen (Informed Consent, IC). Letztere sind nach ethischen und rechtlichen Vorgaben, wie der EU-Datenschutzgrundverordnung [1], Forschungsbasis und elementarer Bestandteil von Registern [2]. ICs werden jedoch meist nicht in die Qualitätssicherung (QS) einbezogen. Dabei weisen insbesondere papierbasiert erhobene Daten wie ICs, welche laut Vogele et al. [3] in ca. 18% der untersuchten Fälle unvollständig ausgefüllt werden, erhebliche Qualitätsmängel auf. Aber auch elektronisch erfasste Angaben, wie MDAT in Registern, sind meist nicht qualitativ hochwertig genug, um nachgenutzt zu werden.

Fragestellung und Zielsetzung: Ziel dieses Beitrags ist es, das Qualitätssicherungskonzept papierbasierter ICs sowie elektronisch erfasster MDAT anhand des transnationalen Frakturregisters BFCC [4] zu beschreiben und dessen Notwendigkeit sowie Auswirkungen zu evaluieren.

Methode: Für das BFCC wurde ein zweistufiges QS-Konzept erarbeitet, dessen erste Stufe zur Rechtssicherheit und Datenrettung beiträgt, in dem die ICs geprüft werden. Die zweite Stufe beinhaltet die elektronische Datenerhebung von MDAT anhand vorgegebener Auswahloptionen inkl. automatischer Plausibilitätsprüfungen.

Zur Evaluation der Wirksamkeit des QS-Konzepts werden die Datensätze des BFCC [4] (abgeschlossene 1. Erhebungswelle, N=840) herangezogen. Die untersuchten Qualitätsindikatoren für ICs umfassten „Vollständigkeit“ und „Übereinstimmung […] mit den Originaldaten […]“ nach Nonnemacher et al. [5], sowie „Rechtssicherheit“ als Vorliegen der Unterschriften. MDAT wurden anhand der Qualitätsindikatoren „Vollständigkeit“, „Widerspruchsfreiheit“ und „fehlende Werte“ nach Nonnemacher et al. [5] evaluiert.

Ergebnisse: Im BFCC wurden bis zum Rekrutierungsende durch die QS bei mehr als 15% der ICs korrekturbedürftige Auffälligkeiten (z.B. fehlende Unterschriften) nachgewiesen. Durch zeitnahe QS-Reports an das Studienpersonal konnten die Auffälligkeiten meist behoben und Datensätze gerettet werden. Der Datensatzverlust für die Auswertung durch Löschung aufgrund mangelhafter ICs konnte auf N=6 reduziert werden.

Zwar wurden die MDAT mittels elektronischer Formulare, ohne Freitextfelder und inkl. automatischer item-basierter Plausibilitätsprüfungen, erhoben, jedoch zeigten alle drei Qualitätsindikatoren Schwächen bei der Datenerfassung auf.

Diskussion: Ein zweistufiges QS-Konzept mit zeitnahem Feedback erwirkte im BFCC eine steile Lernkurve, die die initiale IC-Qualität erhöhte. Die automatischen Plausibilitätsprüfungen sowie die Vermeidung von Freitexten trug zu einer verbesserten Datenqualität bei. Die Evaluation belegt, dass bei sensiblen Dokumenten wie ICs keine stichprobenartige QS möglich ist und nur automatische item-basierte Plausibilitätsprüfungen nicht ausreichen, um eine bestmögliche Qualität zu gewährleisten.

Reflexion: Anhand der Evaluation wurde das QS-Konzept des BFCC überarbeitet, z.B. wurden formularübergreifende Plausibilitätsprüfungen sowie zeitlich kürzere Abstände des Feedbacks eingeführt.

Förderung: Einzelförderung (BMG, DRV, BMBF, DFG, etc); EU-Interreg Baltic Sea Region Programme 2014-2020 (grant number: #R001)


Literatur

1.
Council of the European Union and European Parliament. Regulation (EU) 2016/679 of the European Parliament and of the Council of 27 April 2016 on the protection of natural persons with regard to the processing of personal data and on the free movement of such data, and repealing Directive 95/46/EC (General Data Protection Regulation). Brussel;2016.
2.
Dierks C, Kircher P, Husemann C, Kleinschmidt J, Haase M. Data Privacy in European Medical Research: A Contemporary Legal Opinion. Berlin: MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG.; 2021. (Schriftenreihe der TMF – Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung e.V., Vol. 1).
3.
Vogele D, Schöffski O, Efinger K, Schmidt SA, Beer M, Kildal D. Analyse von dokumentierten Computertomographie-Aufklärungen : Vollständigkeit und Datenqualität in vier Kliniken [Analysis of documented informed consent forms for computed tomography : Completeness and data quality in four clinics]. Radiologe. 2020 Feb;60(2):162-8. DOI: 10.1007/s00117-019-00629-6 External link
4.
BFCC project. BFCC project website. 2022 [cited 2022 Febr, 28]. Available from: https://www.bfcc-project.eu/ External link
5.
Nonnemacher M, Nasseh D, Stausberg J. Datenqualität in der medizinischen Forschung. Leitlinie zum adaptiven Management von Datenqualität in Kohortenstudien und Registern. 4 ed. Berlin: Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft; 2014.