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Aufwand krankenhaustypischer Ressourcen für ambulant versorgte Patienten in der klinischen Notfallmedizin. Retrospektive Analyse einer Zufallsstichprobe von Patienten zweier Krankenhausnotaufnahmen
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Published: | September 30, 2022 |
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Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Die sektorale Trennung der Notfallversorgung in Deutschland bedingt Konflikte bei der Versorgung ambulanter Notfälle in Krankenhäusern. Es besteht die politische Fiktion, Patienten, die einer ambulanten oder stationären Notfallversorgung bedürfen, könnten a priori unterschieden werden. Ambulante Versorgung wird hier mit fehlendem Bedarf krankenhaustypischer Ressourcen gleichgesetzt.
Fragestellung und Zielsetzung: Unterschiede zwischen ambulant versorgten und stationär aufgenommenen Patienten in der klinischen Notfallmedizin und assoziierter Ressourcenverbrauch.
Methode oder Hypothese: Wir untersuchen eine computergenerierte Stichprobe (n=1500) aus allen Patienten (n=80845) des Jahres 2019 aus zwei Krankenhausnotaufnahmen einer Metropolregion. Der Ressourcenaufwand wurde analog dem Emergency Severity Index (ESI) als Intensität graduiert, wobei auch Gipslonguetten und einfache Wundversorgung als Ressource gewertet wurden. Klinische und prozedurale Parameter wurden aus den Daten des Krankenhausinformationssystems extrahiert und um Angaben aus den Digitalisaten der Patientenunterlagen ergänzt.
Gurppenvergleiche bzgl. Proportionen erfolgten mit dem Chi-Quadrat Test, bzgl. Der Verteilung stetiger Daten mit dem Student-T-Test oder dem Mann-Whitney-U-Test.
Ergebnisse: Von 1.500 Patienten wurden 888 (Alter 50,3 ± 23,0 Jahre; 53,2% weiblich) ambulant versorgt, 512 stationär aufgenommen (Alter 64,6 ± 19,7; p< 0,001; weiblich 47,9% (p=0,047)). 64,0% vs. 63,3% (n.s.) der stationär aufgenommenen Patienten hatten sich während der regulären Praxisöffnungszeiten vorgestellt. 12,2% vs. 14,7 (n.s.) waren Wiederkehrer mit >3 Vorstellungen im Vorjahr. Die mediane (25.–75. Perzentile) Triagestufe war 3 (3-4) vs. 3 (3-3) (n.s.), die Schmerzskala 0 (0-0) vs. 0 (0-1) (n.s.), der Charlson Comorbidity Index 1 (0-3) vs. 4 (1-6) (p<0,001). Die Ressourcenintensität betrug 2 (1-3) vs. 4 (3-5) (p<0,001).
44,8% (vs 89,9%, p<0,001) der Patienten bekamen mindestens eine Labordiagnostik, 20,7% ein EKG, 42,0% (vs. 55,8%, p<0,001) mindestens eine bildgebende Diagnostik (17,2% eine Ultraschalluntersuchung, 19,4% ein planares Röntgen, 6,5% eine CT-Untersuchung). 22,6% vs. 54,6%, p<0,001) erhielten parenterale Medikamente, 14,1% einfache und 1,4% komplexe medizinische Maßnahmen.
68,9% der ambulanten Patienten hatten relevante Ausschlussdiagnosen. Die 3 häufigsten waren Knochenfrakturen (9,9% der ambulanten Patienten), akutes Koronarsyndrom (9,0%), SHT (2,4%).
Diskussion: Ambulante Patienten waren jünger und weniger multimorbide als stationär aufgenommene. Der Anteil relevanter Ausschlussdiagnosen war bei den ambulanten Patienten hoch, der Einsatz krankenhaustypischer Ressourcen war erheblich.
Praktische Implikationen: Ambulant versorgte Patienten in der klinischen Notfallmedizin nehmen in relevantem Umfang krankenhaustypische Ressourcen in Anspruch.
Appell für die Praxis (Wissenschaft und/oder Versorgung) in einem Satz: Die Gleichsetzung ambulanter Versorgung mit fehlendem Bedarf krankenhaustypischer Ressourcen ist falsch.