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21. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

05.10. - 07.10.2022, Potsdam

Stellvertretendes Shared Decision Making bei Demenzen – das Gesundheitsinformationsverhalten Angehöriger

Meeting Abstract

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  • Dominik Daube - Institut für Kommunikationswissenschaft der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Jena, Deutschland
  • Doreen Reifegerste - Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld, Arbeitsgruppe 4: Prävention und Gesundheitsförderung, Bielefeld, Deutschland

21. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Potsdam, 05.-07.10.2022. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2022. Doc22dkvf125

doi: 10.3205/22dkvf125, urn:nbn:de:0183-22dkvf1254

Published: September 30, 2022

© 2022 Daube et al.
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Hintergrund und Forschungsstand: Demenzielle Erkrankungen sind eine der größten Herausforderungen im Gesundheitssystem [1]. Verhaltensbezogene und psychische Symptome von Demenzen, welche unausweichlich auftreten und eine zunehmende Unterstützung durch Angehörige und Freund*innen der Patient*innen notwendig machen, fordern alle Beteiligten heraus [2], [3]. Neben der anspruchsvollen Pflege sind eine Reihe wichtiger Entscheidungen (stellvertretend) zu treffen, die die Patient*innen nicht mehr eigenständig übernehmen können.

Ein Goldstandard in der gesundheitsbezogenen Kommunikation ist das Shared Decision Making (SDM), das eine gleichberechtigte und informierte Behandlungsentscheidung zum Ziel hat [4]. Das ursprünglich dyadische Konzept (Patient*in-Ärzt*in) wurde in ein triadisches Konzept überführt und berücksichtigt die (Stellvertreter*innen-)Rolle Angehöriger/Freund*innen im Entscheidungsprozess [5]. Unerlässlich für ein erfolgreiches SDM sind laienverständlich aufbereitete Informationen für Patient*innen bzw. deren Stellvertreter*innen [6], die sowohl über die Medienberichterstattung als auch über aufbereitete Informationsangebote rezipiert werden können [7], [8]. Entscheidend ist, ob die bestehenden/angebotenen Informationen tatsächlich zur Entscheidungsfindung genutzt werden [9]. Forschungsbefunde deuten an, dass sich die Intention, Informationen zu nutzen, von den tatsächlich genutzten Informationen im (akuten) Diagnosefall unterscheidet [10].

Fragestellungen:

1.
Wo erhalten Personen Informationen über Demenzen und wie bewerten sie diese?
2.
Wie unterscheiden sich intendierte und tatsächliche Informationssuche über Demenzen?
3.
Welche Ansprüche/Erfahrungen haben Personen im Kontext partizipativer Entscheidungsfindung bei Demenzen?

Methode: Präregistrierte, für deutsche Bevölkerung repräsentative (Alter 18–75, Geschlecht, Bildung) Online-Befragung, positives Ethikvotum; N = 1,028.

Ergebnisse & Diskussion: Erste Analysen zeigen signifikante Unterschiede: Während Personen, die bisher nicht nach Informationen gesucht haben, Ärzt*innen und Beratungsstellen kontaktieren wollen, nennen Personen, die bereits als unterstützende Angehörige agieren, Familie und Freunde als die häufigste Informationsquelle, obwohl diese niedrigere Vertrauenswerte als Ärzt*innen/Gesundheitsbehörden erhalten. Diese Intentions-Verhaltens-Lücke könnte an einem zu geringen Angebot oder mangelnder Aufklärung über das bestehende Informationsangebot liegen. Weitere Detailergebnisse folgen im Vortrag.

Praktische Implikationen: Informationsangebot und -verbreitung anpassen, Risiko minimieren, ggf. fehlerhafte Informationen durch Familie/Freund*innen zu reproduzieren („Spiral-Effekt“).

Appell für die Praxis in einem Satz: Eine trans- und interdisziplinäre Auseinandersetzung mit der Thematik ist unerlässlich, um einen umfassenden Eindruck vom Informationsverhalten über Demenzen zu erhalten, Strategien inkl. der Materialien/Angebote entsprechend vor- und aufzubereiten und eine nachhaltige Bevölkerungsaufklärung wissenschaftsfundiert zu ermöglichen.

Förderung: Einzelförderung (BMG, DRV, BMBF, DFG, etc); 404881979


Literatur

1.
Deutsche Alzheimer Gesellschaft e.V. Informationsblatt 1: Die Häufigkeit von Demenzerkrankungen. 2020 [Abgerufen am 01.01.2022]. Verfügbar unter: https://www.deutsche-alzheimer.de/fileadmin/Alz/pdf/factsheets/infoblatt1_haeufigkeit_ demenzerkrankungen_dalzg.pdf External link
2.
Schmidtke K, Otto M. Alzheimer-Demenz. In: Wallesch CW, Frstl H, editors. Demenzen. Georg Thieme Verlag; 2017. S. 203-227.
3.
Phillipson L, Jones SC, Magee C. A review of the factors associated with the non-use of respite services by carers of people with dementia: implications for policy and practice. Health Soc Care Community. 2014 Jan;22(1):1-12. DOI: 10.1111/hsc.12036  External link
4.
Frosch DL, Kaplan RM. Shared decision making in clinical medicine: past research and future directions. Am J Prev Med. 1999 Nov;17(4):285-94. DOI: 10.1016/s0749-3797(99)00097-5  External link
5.
Laidsaar-Powell R, Butow P, Charles C, Gafni A, Entwistle V, Epstein R, Juraskova I. The TRIO Framework: Conceptual insights into family caregiver involvement and influence throughout cancer treatment decision-making. Patient Educ Couns. 2017 Nov;100(11):2035-46. DOI: 10.1016/j.pec.2017.05.014  External link
6.
Elwyn G, Laitner S, Coulter A, Walker E, Watson P, Thomson R. Implementing shared decision making in the NHS. BMJ. 2010 Oct 14;341:c5146. DOI: 10.1136/bmj.c5146  External link
7.
Longo DR. Understanding health information, communication, and information seeking of patients and consumers: a comprehensive and integrated model. Health Expect. 2005 Sep;8(3):189-94. DOI: 10.1111/j.1369-7625.2005.00339.x  External link
8.
Longo DR, Ge B, Radina ME, Greiner A, Williams CD, Longo GS, Mouzon DM, Natale-Pereira A, Salas-Lopez D. Understanding breast-cancer patients perceptions: Health information-seeking behaviour and passive information receipt. J Commun Healthc. 2009;2(2):184206. DOI: 10.1179/cih.2009.2.2.184 External link
9.
Ruppel EK. Scanning Health Information Sources: Applying and Extending the Comprehensive Model of Information Seeking. J Health Commun. 2016;21(2):208-16. DOI: 10.1080/10810730.2015.1058438  External link
10.
Sligo FX, Jameson AM. The knowledge-behavior gap in use of health information. Journal of the American Society for Information Science. 2000;51(9):85869. DOI: 10.1002/(SICI)1097-4571(2000)51:9<858::AID-ASI80>3.0.CO;2-Q External link