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21. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

05.10. - 07.10.2022, Potsdam

Katastrophenmanagement in Seniorenwohnheimen während der COVID-19 Pandemie – eine qualitative Erhebung in Norditalien

Meeting Abstract

  • Barbara Plagg - Landesfachhochschule für Gesundheitsberufe Claudiana, Institut für Allgemeinmedizin und Public Health, Bozen, Italien; Freie Universität Bozen, Fakultät für Bildungswissenschaften, Brixen, Italien
  • Adolf Engl - Landesfachhochschule für Gesundheitsberufe Claudiana, Institut für Allgemeinmedizin und Public Health, Bozen, Italien
  • Giuliano Piccoliori - Landesfachhochschule für Gesundheitsberufe Claudiana, Institut für Allgemeinmedizin und Public Health, Bozen, Italien
  • Klaus Eisendle - Landesfachhochschule für Gesundheitsberufe Claudiana, Institut für Allgemeinmedizin und Public Health, Bozen, Italien; Krankenhaus Bozen, Bozen, Italien

21. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Potsdam, 05.-07.10.2022. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2022. Doc22dkvf054

doi: 10.3205/22dkvf054, urn:nbn:de:0183-22dkvf0549

Published: September 30, 2022

© 2022 Plagg et al.
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Text

Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Seniorenwohnheime gehören zu den vulnerablen Einrichtungen, die in der Pandemie sowohl vom Virus selbst, als auch von Sekundärschäden durch Infektionsschutzmaßnahmen stark betroffen sind. Die Bewältigung langandauernder Krisensituationen mit Kaskadeneffekte wie die COVID-19 Pandemie setzt ein effizientes Katastrophenmanagement voraus. Wenngleich die Literatur zum Thema Katastrophenmanagement zwar insgesamt als mannigfaltig einzuschätzen gilt, ist sie zur spezifischen Situation der Seniorenwohnheimen doch vergleichsweise überschaubar.

Fragestellung und Zielsetzung: Ziel der vorliegenden Studie war es, das Katastrophenmanagement in Seniorenwohnheimen während der Pandemie zu analysieren und Handlungsstrategien zu identifizieren, um die besonders vulnerable Gruppe der SWH-Bewohner:innen, wie auch das Pflegepersonal vor Infektionen und Sekundärschäden zu schützen.

Methode oder Hypothese: Aufgrund der Neuheit der Situation stellte sich der induktive Zugang als methodisch sinnvoller Ansatz da. Im Rahmen einer qualitativen Erhebung im Herbst/Winter 2020/2021 wurden 45 teilstrukturierte Einzelinterviews in der Provinz Bozen (I) geführt. Um eine möglichst perspektivenreiche Sichtweise darlegen zu können, wurden 4 unterschiedliche Gruppen in die Erhebung eingeschlossen:

1.
Bewohner:innen unterschiedlicher Einrichtungen,
2.
das Pflegepersonal,
3.
Angehörige von Bewohner:innen und
4.
medizinische Leiter:innen der Einrichtungen.

Ergebnisse: Unsere Ergebnisse zeigen auf, dass der krisenbedingte Fokus weg von der patientenzentrierten Pflege hin zu kollektiv-protektiven Ansätzen durch die Aufhebung etablierter Pflegeprinzipien zu einem unmittelbaren Notstandsvakuum führte: Es fehlten umsetzbare Strategien und die ad hoc entwickelten provisorischen Lösungen durch ein unvorbereitetes Personal führten vor dem Hintergrund einer unklaren Gesetzgebung zu vielfältigen organisatorischen, medizinischen und ethischen Konflikten. Diesen sollte mit der Entwicklung und Implementierung diverser Katastrophenmanagementstrategien in den Bereichen

1.
Organisation und Kommunikation,
2.
Ressourcen,
3.
Gesundheit und Wohlbefinden der Bewohner:innen und
4.
ethische Rahmenbedingungen entgegengewirkt werden.

Diskussion: Seniorenwohnheime sind bislang unzureichend für den Katastrophenfall abgesichert, da es an umfassenden Katastrophenmanagementstrategien und systematischer Krisenvorsorge fehlt. Die Entwicklung, Erprobung und Implementierung selbiger zeigt sich durch die COVID-19 Pandemie von hoher Relevanz und Dringlichkeit.

Praktische Implikationen: Ohne Katastrophenvorsorge, Krisenprotokolle und Unterstützung bei der Entscheidungsfindung sind die Fachkräfte in Seniorenwohnheimen kaum in der Lage, Katastrophensituationen zu bewältigen.

Appell für die Praxis (Wissenschaft und/oder Versorgung) in einem Satz: Um Seniorenwohnheime krisenresilient zu machen, ist die Entwicklung und Implementierung effizienter Katastrophenvorsorge und -managementstrategien zentral.