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20. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

06. - 08.10.2021, digital

Die Navigationale Gesundheitskompetenz der Bevölkerung in Deutschland: Ergebnisse des HLS-GER 2

Meeting Abstract

  • Lennert Griese - Universität Bielefeld, Interdisziplinäres Zentrum für Gesund­heits­kompetenzforschung (IZGK), Bielefeld, Deutschland
  • Eva-Maria Berens - Universität Bielefeld, Interdisziplinäres Zentrum für Gesund­heits­kompetenzforschung (IZGK), Bielefeld, Deutschland
  • Svea Gille - Universität Bielefeld, Interdisziplinäres Zentrum für Gesund­heits­kompetenzforschung (IZGK), Bielefeld, Deutschland
  • Julia Klinger - Universität Bielefeld, Interdisziplinäres Zentrum für Gesund­heits­kompetenzforschung (IZGK), Bielefeld, Deutschland
  • Dominique Vogt - Universität Bielefeld, Interdisziplinäres Zentrum für Gesund­heits­kompetenzforschung (IZGK), Bielefeld, Deutschland
  • Doris Schaeffer - Universität Bielefeld, Interdisziplinäres Zentrum für Gesund­heits­kompetenzforschung (IZGK), Bielefeld, Deutschland

20. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). sine loco [digital], 06.-08.10.2021. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2021. Doc21dkvf486

doi: 10.3205/21dkvf486, urn:nbn:de:0183-21dkvf4867

Published: September 27, 2021

© 2021 Griese et al.
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Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Seit langem wird betont, dass die Gesundheitssysteme in vielen Ländern hoch komplex und für viele Nutzer nur schwer überschaubar sind. Dies trifft auch auf Deutschland zu. Patienten und Nutzer sind darauf angewiesen, sich in einer großen Instanzenvielfalt zu orientieren und die richtige Stelle für ihr Anliegen ausfindig zu machen. Sich so kompetent im Gesundheitssystem zu bewegen, erfordert allerdings ausreichendes Orientierungswissen und auch Gesundheitskompetenz (GK). Mittlerweile liegen erste Studien zur allgemeinen GK für Deutschland vor, für den spezifischen Bereich der Navigation im Gesundheitssystem fehlen dagegen empirische Erkenntnisse.

Fragestellung und Zielsetzung: Deshalb wurde mit dem Zweiten Health Literacy Survey für Deutschland (HLS-GER 2) erstmalig eine Messung der navigationalen Gesundheitskompetenz (N-GK) realisiert. Ziel des Beitrages ist es, Informationen über das Ausmaß der N-GK sowie ihre Verteilung in der Bevölkerung in Deutschland bereitzustellen.

Methode: Für die Analyse wurden Daten von insgesamt 2.151 Personen genutzt. Die N-GK wurde über 12 Fragen zu den selbsteingeschätzten Schwierigkeiten in Hinblick auf navigationsspezifische Informationsanforderungen erhoben. Die Antwortmöglichkeiten (Vierstufige Likert-Skala) wurden dichotomisiert, summiert und auf 100 skaliert. Für die Abschätzung der N-GK und ihre Verteilung wurden die Anteile geringer N-GK (0-66,67 Punkte) sowie die N-GK Mittelwerte herangezogen. Unterschiede zwischen einzelnen Bevölkerungsgruppen wurden mit Hilfe einfaktorieller Varianzanalyse geprüft.

Ergebnisse: Über vier Fünftel der Bevölkerung in Deutschland verfügt über eine geringe N-GK. Dabei schätzen sieben von zehn Befragten es als (sehr) schwierig ein, Gesundheitsreformen zu verstehen, etwas über die eigenen Rechte als Patient herauszufinden oder etwas über Unterstützungsmöglichkeiten in Hinblick auf Navigationsfragen in Erfahrung zu bringen. Die Daten zur N-GK verweisen zudem auf einen sozialen Gradienten: Menschen mit geringem subjektiven Sozialstatus (vs. mittlerer und hoher Sozialstatus), niedriger Bildung (vs. mittlerer und hoher Bildung), aber auch finanziell deprivierte Personen (vs. nicht finanziell depriviert) verfügen über signifikant geringere N-GK Mittelwerte als ihre Vergleichsgruppen.

Diskussion: Informationen über das Gesundheitssystem, seine Funktionsweise und Nutzungsbedingungen scheinen ähnlich schwierig zu verstehen und zu nutzen zu sein, wie das Gesundheitssystem selbst. Das gilt insbesondere für einzelne gesundheitlich ohnehin benachteiligte Bevölkerungsgruppen. Auch die N-GK stellt daher ein wichtiges Public Health-Thema dar.

Praktische Implikationen: Für die Navigation relevante Informationen müssen einfacher zugänglich, verständlicher, besser verwendbar und insgesamt nutzerfreundlicher sein. Zukünftig gilt es verstärkt, Konzepte zur Stärkung der systemischen und organisationalen GK zu entwickeln und umzusetzen.

Appell für die Praxis (Wissenschaft und/oder Versorgung) in einem Satz: Es ist erforderlich, das Gesundheitssystem zu einem gesundheitskompetenten –„health literate“ – Gesundheitssystem weiter zu entwickeln.