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20. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

06. - 08.10.2021, digital

Was bedeutet Partizipation? – Die Auseinandersetzung mit dem Begriff der Partizipation aus Eltern- und Jugendlichenperspektive zur Entwicklung eines Partizipationsmessinstrumentes

Meeting Abstract

  • Laura Hoffmann - Fachhochschule Südwestfalen, Fachbereich Bildungs- und Gesellschaftswissenschaften, Soest, Deutschland; Institut für Medizinische Soziologie, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle (Saale), Deutschland
  • Carina Völlm - Fachhochschule Südwestfalen, Fachbereich Bildungs- und Gesellschaftswissenschaften, Soest, Deutschland
  • Marie Bernard - Institut für Medizinische Soziologie, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle (Saale), Deutschland; SRH Hochschule für Gesundheit, Gera, Deutschland
  • Astrid Fink - Symbioun e.V., Gotha, Deutschland
  • Matthias Richter - Institut für Medizinische Soziologie, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle (Saale), Deutschland
  • Britta Gebhard - Fachhochschule Südwestfalen, Fachbereich Bildungs- und Gesellschaftswissenschaften, Soest, Deutschland

20. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). sine loco [digital], 06.-08.10.2021. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2021. Doc21dkvf480

doi: 10.3205/21dkvf480, urn:nbn:de:0183-21dkvf4809

Published: September 27, 2021

© 2021 Hoffmann et al.
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Text

Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Trotz der zentralen Stellung von Partizipation in der ICF und im Bundesteilhabegesetz, stehen für Jugendliche in Deutschland keine verlässlichen Instrumente für die Selbstbeurteilung ihrer Teilhabe zur Verfügung. Ziel des Gesamtprojektes ist es, ein Partizipationsmessinstrument für Jugendliche zu entwickeln. Zunächst gilt es den Partizipationsbegriff im Rehabilitations- und Versorgungswissenschaftlichen Kontext zu konkretisieren, da dieser derzeit in erster Linie auf der ICF basiert und darüber hinaus noch nicht ausreichend definiert wurde. Der internationale Diskurs hingegen greift hier die Familie der partizipations-relevanten Konstrukte auf, welche im deutschsprachigen Raum noch eine tendenziell untergeordnete Rolle spielt. Hier bedarf es einer Weiterentwicklung des Partizipationsbegriffs für den deutschsprachigen Raum.

Fragestellung und Zielsetzung: Ziel der Studie ist es, das theoretische Verständnis in Bezug auf soziale Partizipation aus Perspektive von Eltern und Jugendlichen mit und ohne chronische und/oder körperlich-motorischen Beeinträchtigungen zu erfassen, um so den Partizipationsbegriff zu präzisieren.

Methode: Es wurden semistrukturierte Interviews (n=36) mit Jugendlichen durchgeführt und basierend auf der Grounded Theory ausgewertet. Zudem wurden Fokusgruppen (n=5) mit Eltern durchgeführt und inhaltsanalytisch ausgewertet.

Ergebnisse: Aus Sicht der Jugendlichen umfasst der Begriff der Partizipation primär die Möglichkeit, verschiedene Tätigkeiten nach ihren individuellen Vorstellungen gemeinsam mit ihrem sozialen Umfeld ausüben zu können. Die Interaktion mit anderen, bei der es sich sowohl um eine aktive als auch passive Rolle des Jugendlichen handeln kann, steht dabei im Fokus. Das Gefühl, einbezogen zu sein, spielt zudem eine zentrale Rolle für die Teilhabe der Jugendlichen. Die befragten Eltern fokussieren an dieser Stelle stärker normative Erwartungen der Mehrheitsgesellschaft, welche für sie zentrale Bezugspunkte bilden. Dabei wurde insbesondere die Möglichkeit der Partizipation in sämtlichen Lebensbereichen durch die Anpassung von Umweltfaktoren als zentraler Faktor genannt.

Diskussion: Übereinstimmend mit dem internationalen Diskurs unterstreichen die Ergebnisse die Bedeutung des subjektiven Empfindens der Jugendlichen sowie das Gewicht normativer Vorgaben aus Sicht der Eltern. Um die subjektive, kontextabhängig variable Komponente von Partizipation zu erfassen, bedarf es geeigneter Messinstrumente, die auch in der Praxis Anwendung finden können.

Praktische Implikationen: Die Relevanz der subjektiven Perspektive, abhängig von individuellen und kontextbezogenen Faktoren der Jugendlichen, zeigt sich gegenüber eher normativen Sichtweisen der Eltern. Diese teils diskrepanten Ansichten müssen zukünftig in der Versorgung eine stärkere Berücksichtigung finden. Die Verknüpfung beider Perspektiven wird eine große Herausforderung sein.

Appell für die Praxis (Wissenschaft, Versorgung) in einem Satz: Die stärkere Berücksichtigung des subjektiven Empfindens von Partizipation ist in der Praxis und in der Wissenschaft bei der Entwicklung geeigneter Messinstrumente notwendig.