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20. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

06. - 08.10.2021, digital

Prä-Operative Prädiktion eines postoperativen Delirs durch geeignetes Screening (PROPDESC)

Meeting Abstract

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  • Andrea Kirfel - Universitätsklinikum Bonn, Klinik für Anästhesiologie, Bonn, Deutschland
  • Jan Menzenbach - Universitätsklinikum Bonn, Klinik für Anästhesiologie, Bonn, Deutschland
  • Maria Wittmann - Universitätsklinikum Bonn, Klinik für Anästhesiologie, Bonn, Deutschland

20. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). sine loco [digital], 06.-08.10.2021. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2021. Doc21dkvf460

doi: 10.3205/21dkvf460, urn:nbn:de:0183-21dkvf4609

Published: September 27, 2021

© 2021 Kirfel et al.
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Hintergrund: Mit einer Inzidenz von 11%–51% ist das postoperative Delirium (POD) eine häufige Komplikation nach chirurgischen Eingriffen, die insbesondere die ältere Bevölkerung betrifft [1], [2]. Neben dem Alter stellen Multimorbidität, vermindertes Hör- und Sehvermögen, Immobilität und kognitive Dysfunktion ein erhöhtes Risiko für ein POD dar [3]. Die kontinuierliche Zunahme der älter werdenden Bevölkerung und das erhöhte OP Aufkommen in dieser Altersgruppe (in 2019 53% der über 60-jährigen) bergen schon jetzt eine Herausforderung für das deutsche Gesundheitssystem [4]. Trotz der teils schwerwiegenden Komplikationen, die das POD für die Patienten bedeuten kann (erhöhtes Mortalitätsrisiko, bleibende kognitive Schäden, Verschlechterung der Mobilität und Selbstständigkeit) und den belastenden Faktoren der krankenhausinternen Ressourcen (monetär wie auch organisatorisch), gibt es aktuell in deutschen Krankenhäusern noch kein standardisiertes Risikoscreening [5], [6], [7].

Primäres Ziel der prospektiven monozentrischen Beobachtungsstudie PROPDESC war es, ein möglichst prädiktives und klinisch einfach durchführbares präoperatives Screening Instrument zur Vorhersage des postoperativen Delir-Risikos durch klinische Routinedaten und kurzem kognitiven Screening zu evaluieren.

Methode: In die PROPDESC-Studie wurden von Sep. 2018 bis Okt. 2019 insgesamt 1097 Patienten mit einem Alter über 60 Jahre und einer geplanten Operationszeit von mindestens 60 Min. eingeschlossen. Die Delir-Testung erfolgte an 5 aufeinanderfolgenden Tagen mittels unterschiedlicher Assessment-Tools für die Normal- und Intensivstation. Basierend auf den präoperativ erhobenen Daten wurde an einer Evaluierungskohorte (n=600) ein Delir-Risikoscore entwickelt und auf einer weiteren unabhängigen Kohorte (n=378) intern validiert.

Ergebnisse: Die Delir-Inzidenz der gesamten Kohorte betrug 24%. Die präoperativ zu erhebenden Variablen zur Delir-Risikoeinschätzung (mit einer Staffelung von <10% – >50% Risiko) bestehen zum einen aus den Routine-Anästhesie Klassifikationen ASA, NYHA und OP-Risiko, sowie dem Alter und zwei einfach durchführbaren kognitiven Testungen aus dem Montreal Cognitive Assessment. Der hieraus entwickelte Delir-Risikoscore weist eine AUC von 0,725 (95% CI: 0.672 – 0.777) auf. Es konnte gezeigt werden, dass das Auftreten des POD einen unabhängigen signifikanten Effekt auf die Verweildauer im Krankenhaus und der Intensivstation hatte.

Diskussion: Der PROPDESC-Score wurde auf einer fachübergreifenden Kohorte eines Klinikums der Maximalversorgung entwickelt. Eine externe Validierung des Scores an Krankenhäusern aller Versorgungsstufen ist in Planung.

Implikationen: Der PROPDESC-Score ist einfach und zügig in der klinischen Routine anzuwenden und bietet für Krankenhäuser die Möglichkeit den Ressourceneinsatz zur Delir-Prävention in Verbindung mit den prozentualen Risikoabstufungen selbst zu wählen.

Appell: In Anbetracht der medizinischen wie ökonomischen Relevanz des Delirs ist die Durchführung eines deutschlandweiten standardisierten Delir-Risiko Screenings und einer darauf angepassten Prävention eine wichtige Herausforderung für die zukunftsorientierte Versorgung der alternden Bevölkerung.


Literatur

1.
Inouye SK, Westendorp RG, Saczynski JS. Delirium in elderly people. Lancet. 2014 Mar 8;383(9920):911-22. DOI: 10.1016/S0140-6736(13)60688-1 External link
2.
Lindroth H, Bratzke L, Purvis S, Brown R, Coburn M, Mrkobrada M, Chan MTV, Davis DHJ, Pandharipande P, Carlsson CM, Sanders RD. Systematic review of prediction models for delirium in the older adult inpatient. BMJ Open. 2018 Apr 28;8(4):e019223. DOI: 10.1136/bmjopen-2017-019223 External link
3.
Federführende Fachgesellschaften; Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI); Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI). S3-Leitlinie - Analgesie, Sedierung und Delirmanagement in der Intensivstation (DAS-Leitlinie 2015) [Internet]. 2015. Verfügbar unter: https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/001-012l_S3_Analgesie_Sedierung_Delirmanagement_Intensivmedizin_2015-08-abgelaufen.pdf External link
4.
statista. Anzahl der Operationen vollstationärer Patienten in deutschen Krankenhäusern nach Altersgruppe im Jahr 2019 [Internet]. Verfügbar unter: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/29220/umfrage/krankenhaeuser-operationen-vollstationaerer-patienten/ External link
5.
Bickel H, Gradinger R, Kochs E, Förstl H. High risk of cognitive and functional decline after postoperative delirium. A three-year prospective study. Dement Geriatr Cogn Disord. 2008;26(1):26-31. DOI: 10.1159/000140804 External link
6.
Kirfel A, Menzenbach J, Guttenthaler V, Feggeler J, Mayr A, Coburn M, Wittmann M. Postoperative delirium after cardiac surgery of elderly patients as an independent risk factor for prolonged length of stay in intensive care unit and in hospital. Aging Clin Exp Res. 2021 Apr 3. DOI: 10.1007/s40520-021-01842-x External link
7.
Weinrebe W, Johannsdottir E, Karaman M, Füsgen I. What does delirium cost? An economic evaluation of hyperactive delirium. Z Gerontol Geriatr. 2016 Jan;49(1):52-8. DOI: 10.1007/s00391-015-0871-6 External link