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Digitale Versorgungschancen – Videotherapie in der ambulanten logopädischen/sprachtherapeutischen PatientInnenversorgung
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Published: | September 27, 2021 |
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Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Erst in der Corona-Pandemie mussten sich LogopädInnen/SprachtherapeutInnen notgedrungen und weitgehend ohne adäquate Vorbereitungen und Arbeitsbedingungen mit Videotherapie als synchrone teletherapeutische Versorgungsform auseinandersetzen, während diese international seit mehreren Jahren etabliert ist. Internationale Reviews zeigen die Eignung von Videotherapie bei PatientInnen verschiedener Indikationen und heben die Akzeptanz und Zufriedenheit mit der innovativen Versorgungsform hervor [1], [2], [3], [4], [5], [6], [7]. Erste nationale Studien bestätigen dies [8], [9], [10].
Fragestellung und Zielsetzung: Das Forschungsprojekt „Videotherapie in der ambulanten logopädischen/sprachtherapeutischen Versorgung (ViTaL)“ fokussierte die praktische Nutzung der Videotherapie im ambulanten Versorgungskontext der Logopädie/Sprachtherapie. Ziele waren
- 0.
- eine Bestandsaufnahme der Nutzung von Videotherapie während der SARS-CoV2-Pandemie im Frühjahr/Sommer 2020 und
- 0.
- die Ableitung von Empfehlungen für die Nutzung dieser innovativen digitalen Versorgungsform.
Methode oder Hypothese: Es wurden eine systematische Literaturrecherche und -analyse von systematischen Reviews (n:8) zur Videotherapie, eine Online-Befragung von ambulant tätigen LogopädInnen/SprachtherapeutInnen (n:816) sowie eine fokussierte Videoanalyse von Therapieaufzeichnungen (n:5) durchgeführt. Ausgehend von den Ergebnissen wurden Kernaussagen und Empfehlungen zur Nutzung von Videotherapie formuliert.
Ergebnisse Videotherapie ermöglicht
- 1.
- die situationsspezifische Anpassung der PatientInnen-TherapeutInnen-Interaktionen an die Lebenswelt von PatientInnen,
- 2.
- den individuellen Symptomausprägungen entsprechend verschiedene Therapiemethoden und -konzepte anzuwenden, um eine evidenzbasierte und patientInnenorientierte Therapie anzubieten,
- 3.
- ein prozesshaftes und interaktives Therapieren, sodass partizipative Entscheidungs- und Handlungsprozesse stattfinden können und
- 4.
- die therapeutische Versorgung kontinuierlich zu gewährleisten.
Die digitale Form der Versorgung erfordert u.a. patientenInnenspezifische, methodische und technische Aspekte zu berücksichtigen.
Diskussion: Potenziale einer synchronen logopädischen/sprachtherapeutischen Versorgung via Videotherapie sind deutlich geworden, die in Deutschland zum Nachteil der PatientInnen bislang weder untersucht wurden noch in der Regelversorgung zum Einsatz kamen. Die Potenziale bestehen neben der besseren Erreichbarkeit nicht-mobiler PatientInnen in einer ganzheitlichen Betrachtung der Person in ihrem Lebensumfeld und einer umfassenden Betrachtung sozialer und ökonomischer Faktoren in den Lebensbedingungen der PatientInnen.
Praktische Implikationen: Es wird empfohlen, Videotherapie für die Regelversorgung vorzuhalten, um der fortschreitenden digitalen Gesundheitsversorgung gerecht zu werden und eine flächendeckende Versorgung gewährleisten zu können.
Appell für die Praxis (Wissenschaft und/oder Versorgung) in einem Satz: Digitalisierungschancen für eine zukunftsfähige Gesundheitsversorgung von Menschen mit Kommunikationsstörungen nutzen.
Literatur
- 1.
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- 2.
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- Sutherland R, Trembath D, Roberts J. Telehealth and autism: A systematic search and review of the literature. Int J Speech Lang Pathol. 2018 Jun;20(3):324-36. DOI: 10.1080/17549507.2018.1465123
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- 9.
- Bilda K, Urban K, Dörr F, Tschuschke B. Digitale logopädische Therapie: Ergebnisse einer Befragung zum aktuellen Ist-Stand aus Sicht von LogopädInnen. LOGOS-Akademische Sprachtherapie. 2020; 28(3):176-83.
- 10.
- Schwinn S, Barthel M, Leinweber J, Borgetto B. Digitalisierungschancen – Umsetzung von Videotherapie im Lockdown: Ergebnisse der Online-Befragung aus dem Forschungsprojekt „ViTaL”. Forum Logopädie. 2020; 34(6):36-40.