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20. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

06. - 08.10.2021, digital

Der Einfluss von Arztnetzwerken auf die Verschreibung eines neuen Medikamentes bei chronischer Herzinsuffizienz: Eine soziale Netzwerkanalyse

Meeting Abstract

  • Christine Arnold - Universitätsklinikum Heidelberg, Abteilung Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, Heidelberg, Deutschland
  • Jan Koetsenruijter - Universitätsklinikum Heidelberg, Abteilung Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, Heidelberg, Deutschland
  • Johanna Forstner - Universitätsklinikum Heidelberg, Abteilung Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, Heidelberg, Deutschland
  • Michel Wensing - Universitätsklinikum Heidelberg, Abteilung Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, Heidelberg, Deutschland

20. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). sine loco [digital], 06.-08.10.2021. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2021. Doc21dkvf437

doi: 10.3205/21dkvf437, urn:nbn:de:0183-21dkvf4379

Published: September 27, 2021

© 2021 Arnold et al.
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Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Die Annahme von Leitlinien wird durch verschiedene Faktoren wie beispielsweise den Austausch und die Zusammenarbeit zwischen Ärzt*innen beeinflusst. Neue Medikamenten-Empfehlungen werden aus verschiedenen Gründen oftmals nur langsam in der Praxis angenommen, was sich auch bei der neuen Wirkstoffgruppe Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitoren (ARNI) zur Behandlung für chronische Herzinsuffizienz zeigt.

Fragestellung und Zielsetzung: Die Studie hatte zum Ziel, den Einfluss von Zusammenarbeit und Austausch zwischen Ärzt*innen in der ambulanten Gesundheitsversorgung bei der Verschreibung von ARNI in Baden-Württemberg zu untersuchen.

Methode oder Hypothese: Es fand eine Längsschnittstudie mit Krankenkassendaten aus den Jahren 2016–2018 statt. Mithilfe der sozialen Netzwerkanalyse erfolgt die Darstellung eines ungerichteten ambulanten Arztnetzwerks in Baden-Württemberg über mindestens fünf gemeinsame Patienten*innen dieser Ärzt*innen als Proxy für Zusammenarbeit und Austausch. Mittels logistischer Regressionsanalyse mit dem binären Outcome „Verschreibung von ARNI“ im Jahr 2018 wurde der Einfluss von Kontakten zu existierenden Verschreibern von ARNI und weiteren Netzwerkeigenschaften gemessen. Das Modell wurde für soziodemografische Daten der Ärzt*innen sowie der Facharztbezeichnung adjustiert.

Ergebnisse: Die Netzwerkanalyse umfasste 8.371 Ärzt*innen mit 143.648 Verbindungen. Verschreibende Ärzt*innen weisen im Vergleich zu Nicht-Verschreiber*innen mehr Verbindungen zu anderen Ärzt*innen (Median 31 vs. 25) auf. Die Regressionsanalyse zeigte, dass die Anzahl der Verbindungen zu einem Verordner mit der Verschreibung von ARNI assoziiert war. Für 6–10 Verbindungen zu einem Verordner betrug das adjustierte Odds Ratio (AOR) 1,26 (Konfidenzintervall [KI] 95% 1,08–1,45) und für >10 Verbindungen zu einem Verordner AOR 1,59 (KI 95% 1,33–1,90) im Vergleich zur Gruppe mit 0–5 Verbindungen zu einem Verschreiber. Die Netzwerkbeschränkung „Constraint“ mit einer AOR von 0,72 (KI 95% 0,63–0,81) zeigte ebenfalls einen statistisch signifikanten Einfluss.

Diskussion: Ärzt*innen, die sich mit vielen anderen Ärzt*innen über gemeinsame Patient*innen austauschten und viele Kontakte zu ARNI-Verschreiber*innen hatten, verschrieben unabhängig von ihrer Facharztbezeichnung mit höherer Wahrscheinlichkeit einen ARNI. Dies deutet daraufhin, dass die Zusammenarbeit und der Austausch auf der Basis von gemeinsamen Patient*innen die Medikamentenverschreibung sowie die Umsetzung neuer Leitlinien beeinflusst.

Praktische Implikationen: Mithilfe der sozialen Netzwerkanalyse besteht die Möglichkeit, den sozialen Einfluss in der Verschreibung von neuen Medikamenten darzustellen. Dies kann genutzt werden, um die Annahme von neuen Medikamentenleitlinien zu fördern.

Appell für die Praxis (Wissenschaft und/oder Versorgung) in einem Satz: Mit dem Ziel, das Verschreibungsverhalten nach der Einführung neuer Medikamente zu beschleunigen, sollte ein stärkerer Fokus auf die Vernetzung und Zusammenarbeit der Ärzt*innen gelegt werden, die als Determinante der Implementierung von Handlungsempfehlungen gesehen werden kann.