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20. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

06. - 08.10.2021, digital

Leistungen der ambulanten Palliativversorgung im letzten Lebensjahr – eine Analyse von GKV-Routinedaten der AOK Niedersachsen aus dem Jahr 2018

Meeting Abstract

  • Katharina van Baal - Institut für Allgemeinmedizin, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Deutschland
  • Jona Theodor Stahmeyer - Stabsbereich Versorgungsforschung, AOK Niedersachsen, Hannover, Deutschland
  • Stephanie Stiel - Institut für Allgemeinmedizin, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Deutschland
  • Nils Schneider - Institut für Allgemeinmedizin, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Deutschland
  • Kambiz Afshar - Institut für Allgemeinmedizin, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Deutschland

20. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). sine loco [digital], 06.-08.10.2021. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2021. Doc21dkvf421

doi: 10.3205/21dkvf421, urn:nbn:de:0183-21dkvf4215

Published: September 27, 2021

© 2021 van Baal et al.
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Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Die Palliativversorgung (PV) hat sich in Deutschland in den letzten Jahren erheblich weiterentwickelt. Im Jahr 2007 wurde die spezialisierte ambulante PV (SAPV) in das Sozialgesetzbuch aufgenommen und in 2013 wurden im Einheitlichen Bewertungsmaßstab Abrechnungsziffern für die allgemeine ambulante PV (AAPV) geschaffen. Seit 2017 existiert mit der „Besonders qualifizierten und koordinierten palliativmedizinischen Versorgung“ (BQKPMV) eine Versorgungform, die in ihrem Leistungsspektrum zwischen AAPV und SAPV liegt und über deren Anwendung bisher wenig bekannt ist.

Fragestellung und Zielsetzung: Ziel war es, anhand von Routinedaten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) die Leistungen der ambulanten PV im letzten Lebensjahr am Beispiel des Flächenlandes Niedersachsen zu analysieren. Dabei sollte insbesondere auch die neue Versorgungsform der BQKPMV in den Blick genommen werden.

Methode oder Hypothese: Die deskriptive Querschnittsanalyse auf Basis von GKV-Routinedaten der AOK Niedersachsen ist Teil des Projektes „Optimale Versorgung am Lebensende – OPAL“ (Innovationsfonds: 01VSF17028). Für die Auswertung wurden Daten von in 2018 verstorbenen Versicherten (Alter ≥18 Jahre, durchgängige Versicherung im Vorjahr) mit mind. einer chronisch-progredienten Erkrankung herangezogen (Diagnosevalidierung durch M2Q). Analysiert wurden neben Diagnosedaten die Anzahl von Leistungen der AAPV und SAPV sowie der BQKPMV im letzten Lebensjahr.

Ergebnisse: Im Jahr 2018 erfüllten insgesamt 32.098 Versicherte der AOK Niedersachsen die Einschlusskriterien (54,1% weiblich). Im Mittel lag das Alter bei Versterben bei 79,4 Jahren. Bei knapp 3/4 aller Verstorbenen lag eine Herzerkrankung vor (72,9%). Fast die Hälfte der Verstorbenen wies eine demenzielle Erkrankung (46,9%) und/oder eine Lungenerkrankung (46,7%) auf. Der Anteil von Verstorbenen mit AAPV-Leistungen im letzten Lebensjahr lag bei 25,8%, während SAPV-Verordnungen für 9,6% der Verstorbenen ausgestellt wurden. Insgesamt 1.350 Verstorbene (4,2%) erhielten im letzten Lebensjahr eine Leistung der BQKPMV.

Diskussion: Die Ergebnisse geben einen Überblick über die ambulante PV in Niedersachsen. Im Vergleich mit Daten aus dem Faktencheck Gesundheit der Bertelsmann Stiftung (PV Modul 3; 2015) zeigt sich ein Zuwachs von SAPV-Verordnungen (2010–2014: 5,3%) und ein leichter Rückgang von AAPV-Leistungen (2014: 28,0%). Für die BQKPMV liegen bisher keine Vergleichsdaten vor. Da sich neue Versorgungsformen üblicherweise erst etablieren müssen, scheint die BQKPMV erwartungsgemäß bei einem eher kleinen Teil der Verstorbenen zum Einsatz zu kommen.

Praktische Implikationen: Insgesamt wurden Leistungen der ambulanten PV, insbesondere der AAPV und BQKPMV, eher selten erbracht. Inwiefern die BQKPMV als Zwischenschritt zwischen AAPV und SAPV in der Praxis geeignet und umsetzbar ist, sollte Gegenstand weiterer Untersuchungen sein.

Appell für die Praxis (Wissenschaft und/oder Versorgung) in einem Satz: Für eine bedarfsgerechte Weiterentwicklung der ambulanten PV in Deutschland braucht es in einem ersten Schritt eine systematische Evaluation und Optimierung der bestehenden Strukturen.