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20. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

06. - 08.10.2021, digital

Transfer medizintechnischer Innovationen in die Praxis: Typologisierung von Adoptionskurven sowie des Adoptionsverhaltens deutscher Krankenhäuser

Meeting Abstract

  • Marie Böcker - Technische Universität Berlin, Management im Gesundheitswesen, Berlin, Deutschland
  • Helene Eckhardt - Technische Universität Berlin, Management im Gesundheitswesen, Berlin, Deutschland
  • Hanna Ermann - Technische Universität Berlin, Management im Gesundheitswesen, Berlin, Deutschland
  • Susanne Felgner - Technische Universität Berlin, Management im Gesundheitswesen, Berlin, Deutschland
  • Hendrikje Lantzsch - Technische Universität Berlin, Management im Gesundheitswesen, Berlin, Deutschland
  • Tanja Rombey - Technische Universität Berlin, Management im Gesundheitswesen, Berlin, Deutschland
  • Reinhard Busse - Technische Universität Berlin, Management im Gesundheitswesen, Berlin, Deutschland
  • Cornelia Henschke - Technische Universität Berlin, Management im Gesundheitswesen, Berlin, Deutschland
  • Dimitra Panteli - Technische Universität Berlin, Management im Gesundheitswesen, Berlin, Deutschland

20. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). sine loco [digital], 06.-08.10.2021. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2021. Doc21dkvf402

doi: 10.3205/21dkvf402, urn:nbn:de:0183-21dkvf4020

Published: September 27, 2021

© 2021 Böcker et al.
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Text

Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB) werden oftmals mit positiven Assoziationen verbunden. Neben hohen Kosten für das Sozialversicherungssystem kann die Anwendung von NUB auch Risiken für Patienten bergen. In Deutschland liegt der Einsatz und damit die Verbreitung von NUB im stationären Sektor großteils in der Verantwortung der Krankenhäuser. Diese können NUB auch in frühen Stadien des Lebenszyklus teilweise über zeitlich begrenzte Entgelte finanzieren, ohne vorausgesetzte Nutzenbewertung. So kommt es vor, dass NUB auf Basis mangelnder oder gar nachteiliger wissenschaftlicher Evidenz weit verbreitet sind, während andere mit vorteilhafter Studienlage kaum genutzt werden.

Fragestellung und Zielsetzung: Die Studie soll einen Beitrag dazu leisten, die Diffusion von NUB in der Versorgung näher zu beleuchten. Hierfür werden die Adoptionskurven von Verfahren, die maßgeblich auf der Anwendung eines Medizinprodukts beruhen, typologisiert sowie das Adoptionsverhalten der Krankenhäuser untersucht. Durch eine Gegenüberstellung mit der wissenschaftlichen Evidenz für eine Auswahl dieser Verfahren (Aufbereitung identifizierter Studien nach Ergebnis und Evidenzstufe) wird der Transfer von NUB in den stationären Sektor im Untersuchungszeitraum von 2005 bis 2017 bewertet.

Methode oder Hypothese: Auf Basis einer qualitativen Typologisierung und eines quantitativen Clusteringverfahrens der Adoptionskurvenverläufe wurden 21 NUB (Basis: NUB-Aufstellung des InEK) für die weitere Auswertung ausgewählt. Über die zweidimensionale Einordnung nach Verbreitungsgrad und Evidenz wird der Adoptionsprozess den verschiedenen Kategorien „Success“, „Hazard“, „Overadoption“, „Underadoption“, „Vigilance“ und „Prudence“ zugeordnet.

Ergebnisse: Für die Mehrzahl der Verfahren (16 von 21) lag zum Zeitpunkt der Einführung keine aussagekräftige relevante Studie vor. Für fast die Hälfte (10 von 21) wurde sogar über den gesamten Auswertungszeitraum hinweg keine oder nur begrenzte Evidenz identifiziert. Nur wenige Anwendungsjahre lassen sich der Kategorie „Success“ zuordnen (weite Verbreitung auf Basis robuster Evidenz). Der Status „Overadoption“ (Nutzung trotz limitierter Evidenz) wurde mehrfach vergeben.

Diskussion: Der Verbreitungsgrad von NUB deckt sich nicht zwingend mit dem Stand der Evidenz. Insgesamt lässt sich eine mangelhafte Evidenzlage hinsichtlich der Anwendung innovativer Medizintechnologien feststellen. Eine dennoch weite Verbreitung einiger Verfahren birgt erhebliches Gefahrenpotential.

Praktische Implikationen: Eine Einführung von NUB in die Versorgung bedarf einer kritischen Würdigung sowie Beteiligung zur Vervollständigung der wissenschaftlichen Evidenzlage eines jeden Anwenders. Letzteres könnte durch Ausweitung von und Beteiligung an klinischen Studien anwendender Krankenhäuser sowie im Rahmen von Registern erfolgen. Die Verstärkung dieser Möglichkeiten sollte für Praxis und Politik von übergeordnetem Interesse sein.

Appell für die Praxis (Wissenschaft und/oder Versorgung) in einem Satz: Der Transfer von NUB in die Anwendung sollte durch wissenschaftliche Evidenz geleitet und begleitet werden.