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20. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

06. - 08.10.2021, digital

Wie bewerten hausärztliche PatientInnen unterschiedliche indikationsübergreifende Outcome-Parameter, die in vorherigen Studien als patientenrelevant angenommen wurden? Ergebnisse einer Querschnittstudie

Meeting Abstract

  • Christine Kersting - Professur für Primärärztliche Versorgung, Universität Witten/Herdecke, Witten, Deutschland
  • Julia Hülsmann - Lehrstuhl für Allgemeinmedizin und Interprofessionelle Versorgung, Universität Witten/Herdecke, Witten, Deutschland
  • Klaus Weckbecker - Lehrstuhl für Allgemeinmedizin und Interprofessionelle Versorgung, Universität Witten/Herdecke, Witten, Deutschland
  • Achim Mortsiefer - Professur für Primärärztliche Versorgung, Universität Witten/Herdecke, Witten, Deutschland

20. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). sine loco [digital], 06.-08.10.2021. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2021. Doc21dkvf371

doi: 10.3205/21dkvf371, urn:nbn:de:0183-21dkvf3715

Published: September 27, 2021

© 2021 Kersting et al.
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Text

Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Um eine informierte Entscheidung auf Grundlage ihrer individuellen Präferenzen treffen zu können, sollten PatientInnen hinreichend über Behandlungsoptionen und potenzielle Auswirkungen auf den eigenen Lebensalltag informiert sein. Dazu benötigen sie Informationen aus klinischen Studien, deren Outcome-Parameter aus Patientensicht relevant und handlungsleitend sind. In einem Scoping Review zeigte sich eine hohe Diversität bei explizit als patientenrelevant deklarierten Parametern: indikationsübergreifend fanden sich 32 Parameter – von typischen klinischen Endpunkten wie Mortalität bis hin zu sozialen Aspekten und solchen, die den Versorgungsprozess adressieren [1]. Unklar ist, welche dieser Parameter für PatientInnen mehr oder weniger bedeutsam sind.

Fragestellung und Zielsetzung: Bewertung indikationsübergreifender, patientenrelevanter Parameter durch HausarztpatientInnen.

Methode oder Hypothese: Querschnittstudie in 10 hausärztlichen Forschungspraxen der Universität Witten/Herdecke, in der PatientInnen in einem Fragebogen die Relevanz von 32 Parametern auf einer 5-stufigen Likert-Skala bewerteten. Ergänzungen im Freitext waren möglich. Die Freitexte wurden induktiv kategorisiert, die quantitativen Daten deskriptiv ausgewertet. Es erfolgte außerdem ein Vergleich für PatientInnen mit und ohne chronische Erkrankungen.

Ergebnisse: Es gingen 299 Fragebögen in die Analysen ein. Der prozessbezogene Parameter Vertrauen in die Behandlung wurde am höchsten bewertet, gefolgt von Prävention von Folgeerkrankungen und Mobilität. Insgesamt wurden alle erfragten Parameter abgesehen von Sexualität und Häufigkeit der Leistungsinanspruchnahme als (sehr) wichtig bewertet. Unterschiede zwischen PatientInnen mit und ohne chronische Erkrankungen zeigten sich hinsichtlich ergebnisorientierter Parameter, nicht aber im Hinblick auf prozessbezogene. Aus den Freitexten ergaben sich 15 neue Parameter, von denen 12 Prozesse adressierten, u.a. ausreichend Zeit im Arztkontakt.

Diskussion: Prozessbezogene Parameter haben einen hohen Stellenwert für PatientInnen. Es scheint nicht weniger bedeutsam zu sein, wie der Versorgungsprozess empfunden wird, als zu welchem Ergebnis dieser führt. Dies gilt gleichermaßen für PatientInnen mit und ohne chronische Erkrankungen.

Praktische Implikationen: Die durch klinische Studien geprägte Ausrichtung der Bewertung einer Behandlung an den erreichten Folgezuständen wird der patientenseitigen Entscheidungsfindung im Alltag offenbar nicht ausreichend gerecht. Perspektivisch gilt es zu verstehen, wie PatientInnen unterschiedlich geartete Parameter gegeneinander abwägen.

Appell für die Praxis (Wissenschaft und/oder Versorgung) in einem Satz: Um im gemeinsamen Entscheidungsprozess von ÄrztInnen und PatientInnen neben endpunktbezogenen auch prozessbezogene Parameter adäquat zu berücksichtigen, braucht es Modelle zu deren Integrierung in Abhängigkeit individueller Präferenzen.


Literatur

1.
Kersting C, Kneer M, Barzel A. Patient-relevant outcomes: what are we talking about? A scoping review to improve conceptual clarity. BMC Health Serv Res. 2020 Jun 29;20(1):596. DOI: 10.1186/s12913-020-05442-9 External link