gms | German Medical Science

20. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

06. - 08.10.2021, digital

Patientenpräferenzen in der zahnmedizinischen Versorgung – ein Discrete-Choice-Experiment

Meeting Abstract

Search Medline for

  • Susanne Felgner - Technische Universität Berlin, Fachgebiet Management im Gesundheitswesen, Berlin, Deutschland
  • Cornelia Henschke - Technische Universität Berlin, Fachgebiet Management im Gesundheitswesen, Berlin, Deutschland

20. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). sine loco [digital], 06.-08.10.2021. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2021. Doc21dkvf370

doi: 10.3205/21dkvf370, urn:nbn:de:0183-21dkvf3700

Published: September 27, 2021

© 2021 Felgner et al.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution 4.0 License. See license information at http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Outline

Text

Hintergrund und Stand der Forschung: Beim Zahnarzt steht Patienten oftmals eine Vielzahl von Behandlungsalternativen zur Verfügung. Festzuschüsse durch die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) umfassen i.d.R. 50% (seit 10.2020: 60%) der Kosten der Standardversorgung. Patientenpräferenzen können eine wesentliche Rolle bei der Wahl der Versorgung spielen, sind jedoch bisher kaum untersucht worden.

Fragestellung/Zielsetzung: Ziel ist es herauszufinden, in welchem Maße Patientenpräferenzen die Wahl einer Behandlung beeinflussen. In der Studie untersuchen wir die Versorgung mit einer Zahnkrone im Nicht- (NSB) und Sichtzahnbereich (SB) und analysieren, welche Rolle die Eigenschaften Ästhetik, Verträglichkeit, Haltbarkeit sowie Eigenanteil bei der Entscheidung spielen.

Methode: Es wird vermutet, dass verschiedene Ausprägungen (z.B. lange Haltbarkeit, hohe Kosten) des genannten Sets an Eigenschaften die Wahl der Versorgung mit einer Zahnkrone beeinflussen. Es wurde ein Discrete-Choice-Experiment durchgeführt, in dem die Befragten zwischen verschiedenen Behandlungsalternativen (inkl. Opt-out/keine Behandlung) wählen konnten. Zur Ermittlung der Akzeptanz der Behandlungseigenschaften wurde das Conditional Logit Modell angewendet. Erhobene Daten (z.B. sozioökonomische Parameter) wurden deskriptiv ausgewertet.

Ergebnisse: Bei einer Rücklaufquote von 7%, konnten n=508 Fragebögen in die Analyse einbezogen werden. Die Altersgruppen 55–59 (15%) und 50–54 (12%) waren am stärksten vertreten. Die Mehrheit der Befragten war weiblich (57%) und 81% der Befragten war GVK-versichert. Insgesamt 11% aller Befragten (n=58) haben bereits einmal eine Kronenversorgung abgelehnt. Gründe waren vorrangig, dass sie die Behandlung als nicht notwendig einschätzten oder die Kosten zu hoch waren. Im Discrete-Choice-Experiment entschieden sich die Befragten in einem Drittel bzw. Viertel der Fälle gegen eine Behandlung (NSB: im Schnitt 36,5%; SB: 25,3%). Wurde sich für eine Behandlung entschieden, ist für den NSB sowie SB die Wahl der Behandlung am stärksten mit ästhetischen Eigenschaften der Zahnkrone assoziiert, gefolgt von Verträglichkeit (NBS/SB: ß=-0,184/0,282), Haltbarkeit (NBS/SB: ß=0,115/0,090) und Eigenanteil (NBS/SB: ß=-0,002/-0,001). Für Zähne im SB (ß=-1,190) ist die Ästhetik ein weitaus entscheidenderer Faktor als im NSB (ß=-0,375) (alle ß: p<0,001).

Diskussion: Während die Ästhetik im Falle einer Versorgung die wesentlichste Rolle für Patienten spielt, kommt es im SB (NSB) bei einem Viertel (Drittel) der Fälle erst gar nicht zu einer Versorgung. Die Befragten entscheiden sich trotz der medizinischen Notwendigkeit gegen eine Behandlung. Folgeschäden gesundheitlicher, aber auch volkswirtschaftlicher Art können die Folge sein.

Praktische Implikationen: Die Relevanz des Eigenanteils in der zahnmedizinischen Versorgung weist auf die Problematik der Ungleichheiten hin. Der Kostenaspekt sollten nicht Entscheidungskriterium für eine zahnmedizinische Behandlung sein.

Appell für die Praxis (Wissenschaft und Versorgung) in einem Satz: Folgen von nicht-wahrgenommenen Behandlungen sollten aus gesundheitlicher Sicht und Ressourcenperspektive näher untersucht werden.