gms | German Medical Science

20. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

06. - 08.10.2021, digital

Tandem-Praxen als Kooperationen von Hausärzten und Pädiatern in ländlichen Regionen – Ergebnisse aus einem Pilotprojekt

Meeting Abstract

  • Angelika Beyer - Institut für Community Medicine, Greifswald, Deutschland
  • Kilson Moon - Institut für Community Medicine, Greifswald, Deutschland
  • Maren Leiz - Institut für Community Medicine, Greifswald, Deutschland
  • Wolfgang Hoffmann - Institut für Community Medicine, Greifswald, Deutschland
  • Neeltje van den Berg - Institut für Community Medicine, Greifswald, Deutschland

20. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). sine loco [digital], 06.-08.10.2021. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2021. Doc21dkvf360

doi: 10.3205/21dkvf360, urn:nbn:de:0183-21dkvf3600

Published: September 27, 2021

© 2021 Beyer et al.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution 4.0 License. See license information at http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Outline

Text

Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: In gering besiedelten Regionen ist häufig auch die Dichte der ambulanten pädiatrischen Versorgung gering. Die Versorgung der Kinder wird zum Teil von Hausärzten (HÄ) übernommen. Dies ist in vielen Fällen eine adäquate Versorgungsform. Allerdings gibt es gesundheits- und krankheitsbezogene Situationen, bei denen ein Pädiater zu Rate gezogen werden sollte. Eine Option dafür ist die Durchführung von Sprechstunden durch Pädiater in HA-Praxen („Tandem-Praxen“, TP).

Fragestellung und Zielsetzung: Es wurden Machbarkeit und Akzeptanz dieser interdisziplinären Kooperationsform untersucht.

Methode oder Hypothese: Induktiv wurden teilnahmebereite HÄ in Regionen gesucht, in denen der nächste Pädiater mehr als 20 km entfernt praktiziert, im zweiten Schritt wurden regional passende Pädiater gesucht. Die wöchentlich in den TP angebotenen pädiatrischen Sprechstunden wurden über vier Quartale evaluiert, indem teilnehmende Eltern befragt wurden und die Pädiater zu jeder Konsultation Fragebögen ausfüllten. Die Praxisdaten der beteiligten Ärzte wurden bzgl. der pädiatrischen Versorgung vor Projektbeginn analysiert. Mit geografischen Methoden wurden Entfernungen zwischen Wohnort und pädiatrischer Versorgungsmöglichkeit vor und nach Projektstart analysiert. Qualitative Daten wurden auf Basis eines Implementations-Tagebuchs, Workshops und Interviews erhoben.

Ergebnisse: Es wurden jeweils zwei HÄ und Pädiater rekrutiert. Im Beobachtungszeitraum wurden 192 Kinder und Jugendliche (50% weiblich) in den TP behandelt, die insgesamt 387mal die Tandem-Sprechstunde aufsuchten. Es wurden 482 Vorstellungsgründe angegeben, davon 37% Impfungen (n=178) und 15% Vorsorgeuntersuchungen (n=72). Die häufigsten Diagnosen waren Krankheiten des Atmungssystems (J00-J99: 8%, n=41) und Psychische und Verhaltensstörungen (F00-F99: 8%, n=37). 58% der Eltern gaben an, in den drei Monaten vor Studieneinschluss mit diesem Kind keine pädiatrische Konsultation wahrgenommen zu haben. Vor Projektbeginn betrug der Weg zum nächsten Pädiater durchschnittlich 20,2 Kilometern (Min 0,3; Max 34,8), durch die TP waren es 5,1 Kilometer (Min 0,1; Max 26,7). Die HÄ schätzten die Kooperationsmöglichkeit als wesentliche Verbesserung ein, aber bessere digitale Möglichkeiten zur gemeinsamen Patientendokumentation sind notwendig.

Diskussion: TPs sind gut umsetzbar und erzielen eine hohe Akzeptanz bei Ärzten und Patienten und tragen zur Sicherstellung der pädiatrischen Versorgung in Regionen mit geringer Versorgungsdichte bei, da Kinder in Regionen ohne Pädiater trotzdem eine fachärztliche Versorgung bekommen. Tandem-Sprechstunden wurden auch nach Projektende weitergeführt.

Praktische Implikationen: HÄ können durch diese Kooperation an der Sicherstellung der pädiatrischen Versorgung in ländlichen Regionen beitragen.

Appell für die Praxis (Wissenschaft und/oder Versorgung) in einem Satz: TP sollten durch Politik und Selbstverwaltung beim Transfer in die Regelversorgung unterstützt werden.