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20. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

06. - 08.10.2021, digital

Ergebnisse einer Evaluationsstudie – führt eine neue Versorgungsform für Menschen ohne Lautsprache zur Reduktion von Versorgungsdefiziten und zu besseren Outcomes?

Meeting Abstract

  • Anna Zinkevich - Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Department Versorgungsforschung, Organisationsbezogene Versorgungsforschung, Oldenburg, Deutschland
  • Sarah A. K. Uthoff - Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Department Versorgungsforschung, Organisationsbezogene Versorgungsforschung, Oldenburg, Deutschland
  • Tobias Bernasconi - Universität zu Köln, Department Heilpädagogik und Rehabilitation, Pädagogik für Menschen mit Beeinträchtigungen der körperlichen und motorischen Entwicklung, Köln, Deutschland
  • Stefanie K. Sachse - Universität zu Köln, Department Heilpädagogik und Rehabilitation, Pädagogik für Menschen mit Beeinträchtigungen der körperlichen und motorischen Entwicklung, Köln, Deutschland
  • Jens Boenisch - Universität zu Köln, Department Heilpädagogik und Rehabilitation, Pädagogik für Menschen mit Beeinträchtigungen der körperlichen und motorischen Entwicklung, Köln, Deutschland
  • Helge Schnack - Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Department Versorgungsforschung, Organisationsbezogene Versorgungsforschung, Oldenburg, Deutschland
  • Ann-Kathrin Löhr - Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Department Versorgungsforschung, Organisationsbezogene Versorgungsforschung, Oldenburg, Deutschland
  • Lena Ansmann - Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Department Versorgungsforschung, Organisationsbezogene Versorgungsforschung, Oldenburg, Deutschland

20. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). sine loco [digital], 06.-08.10.2021. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2021. Doc21dkvf340

doi: 10.3205/21dkvf340, urn:nbn:de:0183-21dkvf3400

Published: September 27, 2021

© 2021 Zinkevich et al.
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Text

Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Menschen, die aufgrund von angeborenen oder erworbenen Erkrankungen bzw. Behinderungen über keine Lautsprache verfügen, sind oft auf Maßnahmen der Unterstützten Kommunikation (UK) angewiesen. Die UK-Versorgung ist im deutschen Gesundheitssystem nicht eindeutig geregelt, wodurch Versorgungsdefizite resultieren. Hier setzt ein vom Innovationsfonds gefördertes Projekt an und evaluiert eine neue Versorgungsform (nVF), die einen bestehenden Selektivvertrag (SV) (unabhängige UK-Diagnostik und Hilfsmittelberatung) um Case Management, UK-Patiententraining sowie UK-Therapie erweitert.

Fragestellung: Haben Patient*innen in der nVF bessere Outcomes (pragmatische Kommunikationsfähigkeit, Lebensqualität, Teilhabe) als Patient*innen in der Vergleichsgruppe? Wie bewerten Patient*innen und deren Bezugspersonen die nVF?

Methode: Im Rahmen einer quasi-experimentellen längsschnittlichen Studie mit 3 Befragungszeitpunkten wurden im Interventionszeitraum von Juni 2018–April 2021 Bezugspersonen von UK-Nutzer*innen in der nVF und SV Gruppe befragt. Um für mögliche strukturelle Unterschiede zwischen nVF und SV-Gruppe zu kontrollieren, berücksichtigen die Auswertungsmethoden im Rahmen von linear mixed model explizit die Kontrolle von Kovariaten in den zu vergleichenden Gruppen (propensity score matching). Im Rahmen einer formativen Evaluation wurden 7 Fokusgruppeninterviews sowie 8 Einzelinterviews mit UK-Nutzer*innen geführt und mittels strukturierender qualitativer Inhaltsanalyse nach Kuckartz ausgewertet. Zum Kongress liegen endgültige Auswertungen vor.

Ergebnisse: Erste explorative Ergebnisse eines Zwischendatensatzes deuten auf eine Verbesserung der Outcomes in der nVF im Vergleich zur SV Gruppe hin. Die qualitativen Ergebnisse der formativen Evaluation zeigen deutlich, dass die nVF insgesamt von Bezugspersonen sowie den UK-Nutzer*innen selbst positiv bewertet wurde. Trotz der positiven Bewertung des Case Managements zeigen die Ergebnisse keine Verbesserungen in der Zusammenarbeit mit der Krankenkasse und der Ärzteschaft. Die Einzelinterviews zeigen, dass die UK-Nutzer*innen viel Zeit brauchen, um ihr neues Kommunikationshilfsmittel zu erlernen und demnach sich fortlaufende Unterstützung über die nVF hinaus wünschen.

Diskussion: Vor allem Ergebnisse der bereits abgeschlossenen qualitativen Evaluation zeigen, dass die nVF die Zusammenarbeit aller beteiligten Stakeholder verbessert sowie einen nachhaltigen Einsatz des UK-Hilfsmittels begünstigt. Manche Stakeholder wie Ärzt*innen und Krankenkassen müssen noch mehr für UK sensibilisiert werden, um Versorgungsprobleme durch Verweigerung der Rezeptausstellung oder Ablehnung von Hilfsmittelanträgen zu verhindern.

Praktische Implikationen: Bevor konkrete praktische Implikationen abgeleitet werden können, sind die Ergebnisse der Gesamtauswertung abzuwarten.

Appell für die Praxis (Wissenschaft und/oder Versorgung) in einem Satz: Forschung über und mit Menschen mit Behinderung sollte in der Versorgungsforschung mehr Beachtung finden, um die Versorgung auch für diese besonders vulnerable Gruppe patient*innenorientiert zu gestalten.