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Effekte einer Intervention zur Stärkung der teilhabezentrierten Versorgung von Kindern mit chronischen Erkrankungen auf die wahrgenommene partizipative Entscheidungsfindung: Erste Ergebnisse der stepped-wedge cluster-randomisierten PART-CHILD Studie
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Published: | September 27, 2021 |
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Hintergrund: Die soziale Teilhabe ist bei Kindern mit chronischen Erkrankungen häufig eingeschränkt und könnte durch eine stärker teilhabe- und patientenzentrierte Versorgung verbessert werden.
Zielsetzung: Im Beitrag werden die Effekte der teilhabe- und patientenzentrierten PART-CHILD Intervention auf die subjektiv wahrgenommene partizipative Entscheidungsfindung (PEF) mit Eltern (primärer Endpunkt [EP]) und Kindern (sekundärer EP) dargestellt. Zudem werden organisationsbezogene Veränderungen auf Ebene von Sozialpädiatrischen Zentren (SPZ) beschrieben.
Methoden: Die stepped-wedge Studie wurde von 2018–2020 an 15 SPZ durchgeführt. Die Intervention umfasste
- 1.
- eine Mitarbeiterschulung zur teilhabezentrierten Versorgung,
- 2.
- die Bereitstellung einer die Schulung unterstützenden Planungs- und Dokumentationssoftware und
- 3.
- eine mehrmonatige Implementierungsbegleitung zum Transfer in die Routineversorgung.
Die Endpunkterhebung erfolgte mittels Papierfragebögen, die von 8.345 Eltern und 2.221 Kindern ausgefüllt wurden. Die PEF mit Eltern und Kindern ≥7 Jahre wurde mit CollaboRATEpediatric Skalen erfasst (jeweils Skala mit 3 Items, Spanne: 0–9) und ging als binäre Variable (suboptimaler [Punktsumme<27] versus optimaler Grad an PEF [Punktsumme=27]) in die Analysen ein. Wir modellierten die Interventionseffekte mittels generalisierter linear gemischter Modelle mit Zufallseffekt für die Studienzentren und fixem Periodeneffekt. Zur Erfassung organisationaler Veränderungen auf SPZ-Ebene führten wir mit 30 Fachkräften und 14 Einrichtungsleitungen semistrukturierte Interviews, die wir qualitativ inhaltsanalytisch auswerteten.
Ergebnisse: Vor und nach der Intervention gaben 58% und 59% der Eltern bzw. 39% und 38% der Kinder einen optimalen Grad an PEF an. Es zeigten sich bei den patientenbezogenen EP weder für Eltern noch Kinder Hinweise auf einen Interventionseffekt (Eltern: OR 0,95 [95% KI: 0,80–1,13]; Kinder: OR 0,84 [95% KI: 0,53–1,13]). In den semistrukturierten Interviews ergaben sich jedoch Hinweise auf Veränderungen auf SPZ-Ebene (z.B. höheres Bewusstsein für Patientenzentrierung, Gründung von Arbeitsgruppen zur Umsetzung von Schulungsinhalten).
Diskussion: Innerhalb des Studienzeitraums zeigten sich keine Interventionseffekte auf die subjektiv wahrgenommene PEF. Allerdings veränderten sich auf SPZ-Ebene Strukturen und Prozesse, die eine patientenzentrierte Versorgung nachhaltig stärken könnten und damit eltern- bzw. kindbezogenen EP (z.B. PEF) vorgelagert sein können. Ob diese Veränderungen mittelfristig zur Stärkung der PEF führen, muss in Folgestudien evaluiert werden.
Praktische Implikationen: Die weitreichenden strukturellen und prozessualen Veränderungen, die zur Stärkung der teilhabeorientierten Versorgung notwendig sind, sollten in Qualitätsverbesserungsmaßnahmen einen wichtigen Stellenwert einnehmen.
Appell für die Praxis (Wissenschaft und/oder Versorgung) in einem Satz: Für die Evaluation komplexer Versorgungskonzepte sollten angesichts begrenzter Nachbeobachtungszeit organisationsbezogene primäre EP in Betracht gezogen werden.