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20. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

06. - 08.10.2021, digital

Effekte einer Intervention zur Stärkung der teilhabezentrierten Versorgung von Kindern mit chronischen Erkrankungen auf die wahrgenommene partizipative Entscheidungsfindung: Erste Ergebnisse der stepped-wedge cluster-randomisierten PART-CHILD Studie

Meeting Abstract

  • Freia De Bock - Mannheimer Institut für Public Health, Sozial- und Präventivmedizin, Medizinische Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg, Deutschland
  • Tatiana Görig - Mannheimer Institut für Public Health, Sozial- und Präventivmedizin, Medizinische Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg, Deutschland
  • Sabine Georg - Mannheimer Institut für Public Health, Sozial- und Präventivmedizin, Medizinische Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg, Deutschland
  • Dorle Hoffmann - Institut für Medizinische Biometrie, Epidemiologie und Informatik, Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Deutschland
  • Jochem König - Institut für Medizinische Biometrie, Epidemiologie und Informatik, Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Deutschland
  • Michael Urschitz - Institut für Medizinische Biometrie, Epidemiologie und Informatik, Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Deutschland
  • Michael Eichinger - Mannheimer Institut für Public Health, Sozial- und Präventivmedizin, Medizinische Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg, Deutschland; Institut für Medizinische Biometrie, Epidemiologie und Informatik, Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Deutschland

20. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). sine loco [digital], 06.-08.10.2021. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2021. Doc21dkvf312

doi: 10.3205/21dkvf312, urn:nbn:de:0183-21dkvf3120

Published: September 27, 2021

© 2021 De Bock et al.
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Hintergrund: Die soziale Teilhabe ist bei Kindern mit chronischen Erkrankungen häufig eingeschränkt und könnte durch eine stärker teilhabe- und patientenzentrierte Versorgung verbessert werden.

Zielsetzung: Im Beitrag werden die Effekte der teilhabe- und patientenzentrierten PART-CHILD Intervention auf die subjektiv wahrgenommene partizipative Entscheidungsfindung (PEF) mit Eltern (primärer Endpunkt [EP]) und Kindern (sekundärer EP) dargestellt. Zudem werden organisationsbezogene Veränderungen auf Ebene von Sozialpädiatrischen Zentren (SPZ) beschrieben.

Methoden: Die stepped-wedge Studie wurde von 2018–2020 an 15 SPZ durchgeführt. Die Intervention umfasste

1.
eine Mitarbeiterschulung zur teilhabezentrierten Versorgung,
2.
die Bereitstellung einer die Schulung unterstützenden Planungs- und Dokumentationssoftware und
3.
eine mehrmonatige Implementierungsbegleitung zum Transfer in die Routineversorgung.

Die Endpunkterhebung erfolgte mittels Papierfragebögen, die von 8.345 Eltern und 2.221 Kindern ausgefüllt wurden. Die PEF mit Eltern und Kindern ≥7 Jahre wurde mit CollaboRATEpediatric Skalen erfasst (jeweils Skala mit 3 Items, Spanne: 0–9) und ging als binäre Variable (suboptimaler [Punktsumme<27] versus optimaler Grad an PEF [Punktsumme=27]) in die Analysen ein. Wir modellierten die Interventionseffekte mittels generalisierter linear gemischter Modelle mit Zufallseffekt für die Studienzentren und fixem Periodeneffekt. Zur Erfassung organisationaler Veränderungen auf SPZ-Ebene führten wir mit 30 Fachkräften und 14 Einrichtungsleitungen semistrukturierte Interviews, die wir qualitativ inhaltsanalytisch auswerteten.

Ergebnisse: Vor und nach der Intervention gaben 58% und 59% der Eltern bzw. 39% und 38% der Kinder einen optimalen Grad an PEF an. Es zeigten sich bei den patientenbezogenen EP weder für Eltern noch Kinder Hinweise auf einen Interventionseffekt (Eltern: OR 0,95 [95% KI: 0,80–1,13]; Kinder: OR 0,84 [95% KI: 0,53–1,13]). In den semistrukturierten Interviews ergaben sich jedoch Hinweise auf Veränderungen auf SPZ-Ebene (z.B. höheres Bewusstsein für Patientenzentrierung, Gründung von Arbeitsgruppen zur Umsetzung von Schulungsinhalten).

Diskussion: Innerhalb des Studienzeitraums zeigten sich keine Interventionseffekte auf die subjektiv wahrgenommene PEF. Allerdings veränderten sich auf SPZ-Ebene Strukturen und Prozesse, die eine patientenzentrierte Versorgung nachhaltig stärken könnten und damit eltern- bzw. kindbezogenen EP (z.B. PEF) vorgelagert sein können. Ob diese Veränderungen mittelfristig zur Stärkung der PEF führen, muss in Folgestudien evaluiert werden.

Praktische Implikationen: Die weitreichenden strukturellen und prozessualen Veränderungen, die zur Stärkung der teilhabeorientierten Versorgung notwendig sind, sollten in Qualitätsverbesserungsmaßnahmen einen wichtigen Stellenwert einnehmen.

Appell für die Praxis (Wissenschaft und/oder Versorgung) in einem Satz: Für die Evaluation komplexer Versorgungskonzepte sollten angesichts begrenzter Nachbeobachtungszeit organisationsbezogene primäre EP in Betracht gezogen werden.