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Patientinnenteilnahme an multidisziplinären Tumorkonferenzen und Shared-Decision-Making Erfahrungen
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Published: | September 27, 2021 |
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Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: In einigen deutschen Brust- und gynäkologischen Krebszentren ist die Patientinnenteilnahme an multidisziplinären Tumorkonferenzen (MTK) eine regelmäßige, aber seltene Versorgungsrealität. Eine Voruntersuchung konnte zeigen, dass Versorger Shared-Decision-Making (SDM) in MTK mit Patientinnen als herausfordernd wahrnehmen. Unklar ist, ob Gestaltung und Ablauf von MTK mit den SDM Erfahrungen der Patientinnen assoziiert sind und ob Patientinnen aktiv teilnehmen.
Fragestellung und Zielsetzung: Es wird der Frage nachgegangen, ob SDM Erfahrungen von Patientinnen mit Struktur- und Prozessvariablen der MTK sowie mit einer aktiven Teilnahme an der Fallbesprechung assoziiert sind.
Methode: Die Analyse ist Teil des PINTU-Projekts, das von 2017 bis 2020 von der Deutschen Krebshilfe gefördert und an 6 Brust- und gynäkologischen Krebszentren in Nordrhein-Westfalen durchgeführt wurde. Die Forschungsfrage wird mittels linearer Regression mit der abhängigen Variable „SDM Erfahrungen direkt nach der MTK“ geprüft, erfasst mittels PEF-FB-9. Unabhängige Variablen setzen sich aus a) Struktur- und Prozessvariablen zusammen, die mithilfe teilnehmender Beobachtungsdaten sowie eines strukturierten Beobachtungsprotokolls für MTKs gemessen wurden, sowie b) der aktiven Patientinnenteilnahme, die mit einer Codierung emotionaler Äußerungen und Fragen aller MTK Teilnehmerinnen mithilfe des Verona Coding Scheme for Emotional Sequences gemessen wurde.
Ergebnisse: Insgesamt konnten 317 Patientinnen eingeschlossen werden, davon nahmen 95 an der MTK teil. Weitere Deskriptionen werden beim Kongress vorgestellt. Die SDM Erfahrungen der Patientinnen stieg von 3,1 direkt nach der MTK auf 3,5 vier Wochen nach der MTK (p=.000). Vier Wochen nach der MTK wiesen Patientinnen, die an der MTK teilnahmen, niedrigere SDM Erfahrungen auf als Patientinnen, die nicht an der MTK teilnahmen (3,5 versus 4,5; p=.000). Die lineare Regressionsanalyse zeigte eine negative Assoziation für „Theater“ und „U-Form Sitzordnung“ verglichen zu MTKs mit einer „Runden Tisch Sitzordnung“ (-0,48, p=.023; -0,84, p=.005). Patientinnen wiesen höhere SDM Erfahrungen auf, je mehr Versorger in der MTK teilnahmen (0,86, p=.021) und geringere SDM Erfahrungen, wenn Chefärzte die Fallbesprechung moderierten (-0,42, p=.039).
Diskussion: Die Ergebnisse liefern erste Erkenntnisse zu den SDM Erfahrungen von Patientinnen, die an MTKs teilnahmen. SDM in MTK ist weiterhin herausfordernd. Ziel zukünftiger Forschung ist, zu untersuchen, ob eine patientenzentrierte Kommunikation SDM Erfahrungen verbessern kann.
Praktische Implikationen: Patientinnen scheinen von MTKs einen aktive(re)n Einbezug bei der Entscheidungsfindung zu erwarten. Die niedrigen SDM Erfahrungen können darauf hinweisen, dass diese Erwartung in Teilen nicht erfüllt wird. Informationen zum Zweck und Ablauf der MTK sowie eine patientenzentrierte Kommunikation in MTKs erscheint sinnvoll.
Appell für die Praxis und Wissenschaft in einem Satz: Die Teilnahme an der eigenen Fallbesprechung in der Tumorkonferenz bedeutet nicht automatisch, dass Brust- und gynäkologische Krebspatientinnen mehr Shared-Decision-Making erfahren.