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Evaluation eines Programms zur Routineimplementierung der Partizipativen Entscheidungsfindung in der Onkologie: Ergebnisse einer Stepped Wedge cluster-randomisierte Studie
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Published: | September 27, 2021 |
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Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Partizipative Entscheidungsfindung (PEF) wird in der Krebsversorgung gefordert und von den meisten Patient:innen gewünscht. Trotz wissenschaftlicher Evidenz und der Förderung auf gesundheitspolitischer Ebene wird PEF in der Routineversorgung bisher jedoch wenig umgesetzt.
Fragestellung und Zielsetzung: Ziel dieser Implementierungsstudie war es, ein empirisch und theoretisch fundiertes Implementierungsprogramm zur Förderung von PEF in der onkologischen Versorgung zu evaluieren.
Methode oder Hypothese: In einem Stepped Wedge Design wurden drei Kliniken eines onkologischen Spitzenzentrums randomisiert und erhielten zeitversetzt ein Implementierungsprogramm aus sechs Bausteinen (Behandlerschulungen, individuelle Coachings, Entscheidungsmaterialien, Patientenaktivierung, Reflexionstreffen zu Tumorboards, Überarbeitung der Qualitätsmanagementdokumente) [1]. Die Ergebnisevaluation umfasste 4 Messzeitpunkte. Primärer Endpunkt war die Umsetzung von PEF aus Patient:innensicht (Fragebogen PEF-FB-9). Weitere sekundäre Implementierungsoutcomes wurden untersucht. Zur Untersuchung von Reichweite und Umsetzungstreue wurde eine Mixed-Methods-Prozessevaluation durchgeführt. Die Daten zur Ergebnisevaluation wurden mittels gemischter linearer Modelle ausgewertet. Die Prozessevaluation wurde mittels qualitativer Inhaltsanalyse und deskriptiver Statistiken durchgeführt.
Ergebnisse: Insgesamt wurden 2.128 Fragebögen von Patient:innen, 559 Fragebögen von Behandler:innen, 132 Audioaufnahmen und 842 Fallbesprechungen aus 66 Tumorboards ausgewertet. Hinsichtlich des primären Endpunkts ergab sich keine statistisch signifikante Verbesserung der PEF. In der Interventionsgruppe (IG) wurde eher gemeinsame oder patient:ingeführte Entscheidungsfindung erlebt als in der Kontrollgruppe (KG) (p=0,017). Die Behandler:innen in der IG gaben an, über mehr Wissen zu PEF zu verfügen als jene in der KG (p=0,002). In den Fallbesprechungen der Tumorboards war die Qualität der psychosozialen Informationen in der IG niedriger als in der KG (p=0,020). Weitere sekundären Outcomes zeigten keine statistisch signifikanten Effekte. Alle Bausteine wurden in allen Kliniken umgesetzt. Die Reichweite war jedoch eingeschränkt (z.B. Schulungen von 44% der Behandelnden). Zudem kam es zu einigen Anpassungen (z.B. Dosisreduktion bei Coachings).
Diskussion: Die Prozessevaluation liefert Hinweise zu möglichen Erklärungen für die fehlenden statistisch signifikanten Effekte im primären und der Mehrzahl der sekundären Outcomes. Die geringe Reichweite und die Anpassungen, insbesondere hinsichtlich der Dosis könnten diese Ergebnisse erklären.
Praktische Implikationen: Für die erfolgreiche klinikweite Umsetzung von PEF in der Routineversorgung von Krebspatient:innen bedarf es anderer bzw. intensiverer Ansätze.
Appell für die Praxis (Wissenschaft und/oder Versorgung) in einem Satz: Weitere Implementierungsforschung ist notwendig, u.a. zum Verständnis der Einflussfaktoren auf die Implementierung von PEF in der Krebsversorgung.
Literatur
- 1.
- Scholl I, Hahlweg P, Lindig A, Bokemeyer C, Coym A, Hanken H, Müller V, Smeets R, Witzel I, Kriston L, Härter M. Evaluation of a program for routine implementation of shared decision-making in cancer care: study protocol of a stepped wedge cluster randomized trial. Implement Sci. 2018 Mar;13(1):51. DOI: 10.1186/s13012-018-0740-y