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Optimierung des Medikamentenmanagements bei Menschen mit geistiger Behinderung durch aufsuchende Pflege-Beratungen
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Published: | September 27, 2021 |
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Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Menschen mit geistiger Behinderung (MmgB) erkranken früher und häufiger. Sie nehmen eine Vielzahl von Medikamenten, entwickeln Komorbiditäten und weisen eine erhöhte Mortalitätsrate auf. Sie haben oftmals nicht das nötige Wissen, die Wirkung, Dosierung und Frequentierung ihrer Medikamente einzuschätzen. Eine Polypharmazie erhöht die Wahrscheinlichkeit für Wechsel- und Nebenwirkungen. Aus diesem Grund benötigen MmgB besondere Versorgungsarrangements, die ein adäquates Medikamentenmanagement gewährleisten.
Fragestellung und Zielsetzung: Ziel der Studie war es, aufsuchende Beratungen durch Advanced Practice Nurses (APN) zum Thema Medikamentenmanagement bei MmgB zu evaluieren. Die neue Versorgungsform richtet sich neben MmgB an die Stakeholdergruppen: betreuende Fachkräfte, gesetzlich Betreuende, Ärzt*innen. Untersucht wurde ob und in wieweit der Anspruch der Intervention aus der Perspektive der Stakeholder*innen erreicht und wie diese Intervention aus deren jeweiligen Rollen heraus bewertet wird.
Methode: Es wurden 33 problemzentrierte Interviews mit MmgB, Assistenzpersonen, gesetzlich Betreuenden, Ärzt*innen und den APN geführt. Für die jeweiligen Stakeholdergruppen wurden mittels der SPSS-Methode jeweils eigene, sich aber aufeinander beziehende und die jeweiligen Rollen reflektierende Interviewleitfäden entwickelt. Die Interviews wurden transkribiert und mit MAXQDA mithilfe des Vier-Augen-Prinzips in Anlehnung an die qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring ausgewertet. Die Kategorienbildungen wurden disputativ mit einer dritten Forscherin verifiziert.
Ergebnisse: Folgende Kategorien wurden herausgebildet: Verbesserung des Medikamentenmanagements, Vermeidung von Fehlern, Anregung von gesundheitsförderlichem Verhalten, Erweiterung von Wissen, Stärkung von Handlungssicherheit, Förderung des Austauschs unter den Stakeholder*innen. Zentrale Themen in den Beratungen waren die Indikation der Medikamente, deren Lagerung, Wechsel- und Nebenwirkungen, die Überprüfung langjähriger Verordnungen, Anlässe und Maximaldosen von Bedarfsmedikation und die Adhärenzförderung. Aus Sicht der Stakeholder*innen bewirkt die aufsuchende Beratung bei ihnen eine Wissenserweiterung, die zu einer höheren Handlungssicherheit und einem interdisziplinären Austausch untereinander führt sowie einen Abbau von Sorgen und Ängsten.
Diskussion: Die Interviews verdeutlichen Defizite sowohl in der Verordnung als auch im Handling der Medikation bei MmgB. Alle Stakehodergruppen sehen in aufsuchenden Beratungen durch APN ein Potenzial, um das Medikamentenmanagement bei dieser Zielgruppe zu verbessern.
Praktische Implikationen: In der Eingliederungshilfe sollte die verordnete Medikation durch qualifizierte Pflegefachpersonen regelmäßig einem Review unterzogen und die MmgB sowie die versorgenden Personen kontinuierlich beraten werden.
Appell für die Praxis (Wissenschaft und/oder Versorgung) in einem Satz: Die Verstetigung von Konzepten für eine individualisierte Unterstützung des Medikamentenmanagements bei MmgB sollte gefördert werden.