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20. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

06. - 08.10.2021, digital

Auswirkungen des Facharztvertrages Orthopädie nach § 73c SGB V auf die Hospitalisierungswahrscheinlichkeit von Patient:innen mit Arthrose und Rückenschmerzen

Meeting Abstract

  • Angelina Müller - Goethe-Universität Frankfurt, Institut für Allgemeinmedizin, Frankfurt, Deutschland
  • Olga Sawicki - Goethe-Universität Frankfurt, Institut für Allgemeinmedizin, Frankfurt, Deutschland
  • Anastasiya Glushan - Goethe-Universität Frankfurt, Institut für Allgemeinmedizin, Frankfurt, Deutschland
  • Renate Klaaßen-Mielke - Ruhr-Universität Bochum, Abteilung für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie, Bochum, Deutschland
  • Claudia Witte - AQUA-Institut, Arzneimittel und Qualitätsförderung, Göttingen, Deutschland
  • Ferdinand Gerlach - Goethe-Universität Frankfurt, Institut für Allgemeinmedizin, Frankfurt, Deutschland
  • Martin Beyer - Goethe-Universität Frankfurt, Institut für Allgemeinmedizin, Frankfurt, Deutschland
  • Kateryna Karimova - Goethe-Universität Frankfurt, Institut für Allgemeinmedizin, Frankfurt, Deutschland

20. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). sine loco [digital], 06.-08.10.2021. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2021. Doc21dkvf281

doi: 10.3205/21dkvf281, urn:nbn:de:0183-21dkvf2816

Published: September 27, 2021

© 2021 Müller et al.
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Text

Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: In 2014 führte die AOK in Baden-Württemberg eine neue Versorgungsform ein – den Facharztvertrag Orthopädie (FAV) nach § 73c SGB V aufbauend auf der hausarztzentrierten Versorgung. Vertraglich vereinbarte Elemente sind die koordinierte Behandlung, interdisziplinäre Zusammenarbeit und die Implementierung von Beratungspauschalen, welche den zeitlichen Rahmen für motivationale Beratung, Anleitung zum Selbstmanagement und ausführliche Patienteninformation schaffen sollen. In unserer vom Innovationsfonds geförderten Studie (Förderkennzeichen: 01VSF17002) haben wir eine summative Evaluation durchgeführt.

Fragestellung und Zielsetzung: Ziel dieser Arbeit war, die Hospitalisierungswahrscheinlichkeit von Patienten:innen mit Rückenschmerzen (RS) und Arthrose im FAV sowie in der Regelversorgung (RV) zu ermitteln und zu vergleichen.

Methode oder Hypothese: In einer retrospektiven Kohortenstudie basierend auf Abrechnungsdaten der AOK Baden-Württemberg untersuchten wir Daten von Patient:innen mit Knie- oder Hüftarthrose sowie RS (spezifisch/unspezifisch) aus den Jahren 2014 bis 2017. Einschlusszeitraum waren die ersten beiden Quartale in 2016; Follow-up Zeitraum waren sechs Quartale nach Einschluss. Interventionsgruppe waren Patient:innen im FAV; Kontrollgruppe war die RV. Outcome war die Hospitalisierung (binär, ja/nein) wegen Arthrose bzw. RS. Die Ergebnisse wurden deskriptiv ausgewertet und mittels multivariabler Analyse für relevante Einflussfaktoren adjustiert.

Ergebnisse: 75.558 Versicherte konnten der Interventionsgruppe zugeordnet werden (Arthrose: 23.042; RS spez./unspez.: 31.269/21.247), 8.918 Versicherte der Kontrollgruppe (Arthrose: 1.128; RS spez./unspez.: 4.739/3.051). In der Arthrose-Kohorte war die Teilnahme am FAV mit einer erheblichen Reduktion der Hospitalisierungswahrscheinlichkeit assoziiert (Odds Ratio (OR) 0,375; 95% Konfidenzintervall (KI): [0,290-0,485]). Für Versicherte mit spez. RS konnte eine reduzierte Hospitalisierungswahrscheinlichkeit beobachtet werden (OR=0,788; 95% KI: [0,633-0,980]), für Versicherte mit unspezifischen RS ergaben sich bei deskriptiv niedrigen Raten (0,6-0,7%) nach Adjustierung keine signifikanten Unterschiede.

Diskussion: Die Ergebnisse sollten vor dem Hintergrund der heterogenen Komponenten des FAV diskutiert werden; die koordinierte und kontinuierliche Versorgung spielt dabei eine wichtige Rolle (1). Da Arthrose und RS hohe Krankheitskosten im stationären Bereich verursachen (2), ist eine Verlagerung der Versorgung hin zum ambulanten Sektor begrüßenswert. Die zugrundeliegenden Faktoren sollten näher auf ihre Wirksamkeit untersucht und mit Primärdaten unterstützt werden.

Praktische Implikationen: Die Ergebnisse deuten auf eine verbesserte ambulante Versorgung von Patient:innen mit muskuloskelettalen Erkrankungen innerhalb eines strukturierten Versorgungsmodells hin, die in die RV übertragen werden sollte.

Appell für die Praxis (Wissenschaft und/oder Versorgung) in einem Satz: Patient:innen mit muskuloskelettalen Beschwerden können von strukturierten, kooperativen Versorgungsmodellen in der ambulanten Versorgung profitieren.