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20. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

06. - 08.10.2021, digital

Leitliniengerechtigkeit der ambulanten Follow-Up-Behandlung nach stationärer Depressionsbehandlung in Deutschland

Meeting Abstract

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  • Hauke Felix Wiegand - Department of Psychiatry and Psychotherapy, Universitätsmedizin Mainz, Mainz, Deutschland
  • Klaus Lieb - Department of Psychiatry and Psychotherapy, Universitätsmedizin Mainz, Mainz, Deutschland
  • Lars. P. Hölzel - Department of Psychiatry and Psychotherapy, Universitätsmedizin Mainz, Mainz, Deutschland

20. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). sine loco [digital], 06.-08.10.2021. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2021. Doc21dkvf247

doi: 10.3205/21dkvf247, urn:nbn:de:0183-21dkvf2474

Published: September 27, 2021

© 2021 Wiegand et al.
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Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Die S3 Leitlinie Unipolare Depression empfiehlt bei schweren Depressionen nach der Akuttherapie eine fortgesetzte Erhaltungstherapie mit antidepressiver Medikation und Psychotherapie für min. 4–9 Monate. Diese Empfehlungen können das Rezidivrisiko um bis zu 70% senken [1] und sie haben nach stationären Behandlungen wegen des nach Entlassung erhöhten Rückfall und Suizidrisikos eine besondere Relevanz.

Fragestellung und Zielsetzung: Wie leitliniengerecht ist die ambulante Follow-Up-Behandlung nach stationärer Behandlung wegen Depressionen im deutschen GKV-Gesundheitssystem?

Methode: Analyse von Routinedaten der BARMER. Es wurden alle in Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie sowie Psychosomatik 2015 unter der Hauptdiagnose Depression stationär oder teilstationär behandelten Versicherten von 18 bis 65 Jahren eingeschlossen und Charakteristika der stationären Behandlung sowie der ambulanten Follow-Up-Behandlung anhand der ATC-Codes und DDD der Medikation sowie der abgerechneten Psychotherapiesitzungen im auf die Entlassung folgenden Jahr untersucht und mit Empfehlungen der s3 Leitlinie unipolare Depression abgeglichen.

Ergebnisse: Nach Entlassung erhielten 92% der schwer Depressiven entgegen der Empfehlungen der S3-Leitlinie keine kombinierte medikamentöse wie auch psychotherapeutische ambulante Follow-up-Behandlung. 21% der Depressiven wurden innerhalb eines Jahres nach Entlassung wieder stationär aufgenommen, wobei im Regressionsmodell eine intensivere Therapie und eine psychotherapeutische Anschlussbehandlung mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit für eine Wiederaufnahme assoziiert waren. Die normalisierte Ein-Jahres-Mortalität betrug das 3,4-fache der Durchschnittsbevölkerung. Es starben in der Stichprobe von 22.893 Betroffenen 151 Menschen mehr, als in der Durchschnittsbevölkerung zu erwarten waren. Behandlungsbezogene Risikofaktoren hierfür waren im Regressionsmodell unter anderem eine fehlende medikamentöse und psychotherapeutische Weiterbehandlung.

Diskussion: Im deutschen GKV-Versorgungssystem gelingt eine leitliniengerechte Depressionsbehandlung nur unzureichend, Regressionsmodelle legen Assoziationen mit zeitnahen stationären Wiederaufnahmen und Mortalität nahe.

Praktische Implikationen: Die Anreizstrukturen der psychiatrischen Versorgung sollten zukünftig weniger auf Einzelinterventionen und mehr auf leitliniengerechte Versorgungssequenzen orientiert werden.

Appell für die Praxis (Wissenschaft und/oder Versorgung) in einem Satz: Es sind dringend Anreizstrukturen erforderlich, die eine Verzahnung von ambulanter und stationärer psychiatrischer Behandlung und damit leitliniengerechte Versorgungssequenzen ermöglichen.


Literatur

1.
DGPPN; BÄK; KBV; AWMF. S3-Leitlinie/Nationale VersorgungsLeitlinie Unipolare Depression – Langfassung, 2. Aufl.. Version 5. 2017. AWMF; 2017.