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20. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

06. - 08.10.2021, digital

Auswirkungen der Selbststigmatisierung auf frühe Stadien im Inanspruchnahmeprozess von Hilfeleistungen: eine Befragung von Menschen mit depressiver Symptomatik

Meeting Abstract

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  • Anna Katharina Reinhold - Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Department für Versorgungsforschung, Oldenburg, Deutschland
  • Anna Levke Brütt - Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Department für Versorgungsforschung, Oldenburg, Deutschland

20. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). sine loco [digital], 06.-08.10.2021. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2021. Doc21dkvf245

doi: 10.3205/21dkvf245, urn:nbn:de:0183-21dkvf2459

Published: September 27, 2021

© 2021 Reinhold et al.
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Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: In Deutschland nimmt nur etwa jede dritte Person (34,6%), die in den vorausgegangenen 12 Monaten die Diagnosekriterien für eine Major Depression erfüllte, spezifische Versorgungsleistungen in Anspruch. Die Nichtinanspruchnahme führt zu einem erhöhten Chronifizierungsrisiko sowie zur Entwicklung von Komorbiditäten und damit zu erheblichen Kosten für das Gesundheitssystem. Es ist daher notwendig, Barrieren zu identifizieren, die eine angemessene Behandlung von Menschen mit depressiven Störungen erschweren oder sogar verhindern. Studien, die Stigmatisierung als einstellungsbezogene Barriere für die Inanspruchnahme untersuchen, kommen zu widersprüchlichen Ergebnissen. Die Selbststigmatisierung (Self-S) der Betroffenen wurde bislang unzureichend untersucht und aktuelle Studien deuten darauf hin, dass Stigmatisierung bereits früh im Inanspruchnahmeprozess Einfluss nimmt, bevor der/die Betroffene die Entscheidung für oder gegen eine Inanspruchnahme trifft.

Fragestellung und Zielsetzung: Mit der Studie soll der Frage nachgegangen werden, ob die Self-S die Variation in der wahrgenommenen Behandlungsnotwendigkeit (WB) von Menschen mit depressiver Symptomatik vorhersagt. Außerdem wird überprüft, ob die Selbstidentifizierung als psychisch krank (Self-I) einen moderierenden Effekt auf diese Assoziation hat.

Methode: Die Datenbasis bilden in Telefoninterviews erhobene Querschnittsdaten (T0) einer bevölkerungsrepräsentativen, prospektiven Längsschnittstudie [1]. In die Analyse eingeschlossen werden Menschen mit einem PHQ-9 Wert ≥ 8. Deskriptive Ergebnisse werden getrennt nach Inanspruchnahmestatus (aktuelle medikamentöse oder psychotherapeutische Behandlung ja/nein) dargestellt. Mittels Strukturgleichungsmodellierung wird untersucht, ob die Self-S und die WB direkt, und über die Self-I auch indirekt, zusammenhängen.

Ergebnisse: Es können 404 Teilnehmende in die Analyse eingeschlossen werden (n=225 ohne aktuelle Inanspruchnahme). Das Durchschnittsalter der Befragten liegt bei 52,7 Jahren und 52,2% sind weiblich. Der durchschnittliche PHQ-9 Wert liegt bei 11,6. Die Analyseergebnisse liegen bis zum Kongress vor.

Diskussion: Die Ergebnisse der Studie werden vor dem Hintergrund internationaler Forschung diskutiert und in bestehende Erklärungsversuche eingeordnet. Durch die Studie können Aussagen über die Self-S als mögliche Barriere im Inanspruchnahmeprozess von Menschen mit depressiver Symptomatik in Deutschland getroffen werden.

Praktische Implikationen: Die Ergebnisse können Hinweise darauf geben, an welchen Stellen im Inanspruchnahmeprozess Maßnahmen ansetzen müssen, um bestehende Barrieren für Menschen mit depressiven Störungen abzubauen.


Literatur

1.
Reinhold AK, Magaard JL, Brütt AL. Influence of established and subjectively perceived as well as evaluated individual characteristics on the utilization of mental health services among individuals with depressive disorders: protocol of a longitudinal study examining how to supplement the "behavioral model of health services use" and on need-congruent use of mental health services. BMC Psychiatry. 2021 Feb;21(1):68. DOI: 10.1186/s12888-021-03065-w External link