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20. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

06. - 08.10.2021, digital

Einfluss von Kommunikationsschulungen auf Selbstwirksamkeit und Zufriedenheit mit der Versorgung während des Geburtsverlaufs: Qualitative Interviews mit Müttern nach der Geburt an einer universitären Klinik

Meeting Abstract

  • Martina Schmiedhofer - Aktionsbündnis Patientensicherheit e. V., Berlin, Deutschland; Jacobs University Bremen, Dep. Psychology and Methods, Bremen, Germany
  • Johanna Dietl - Aktionsbündnis Patientensicherheit e. V., Berlin, Deutschland; Jacobs University Bremen, Dep. Psychology and Methods, Bremen, Germany
  • Freya Häußler - Aktionsbündnis Patientensicherheit e. V., Berlin, Deutschland
  • Christina Derksen - Jacobs University Bremen, Dep. Psychology and Methods, Bremen, Germany
  • Sonia Lippke - Jacobs University Bremen, Dep. Psychology and Methods, Bremen, Germany

20. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). sine loco [digital], 06.-08.10.2021. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2021. Doc21dkvf239

doi: 10.3205/21dkvf239, urn:nbn:de:0183-21dkvf2396

Published: September 27, 2021

© 2021 Schmiedhofer et al.
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Text

Hintergrund und Stand der Forschung: Patientensicherheit ist ein zentrales Ziel gesundheitlicher Versorgung. Unzureichende Kommunikation gilt als Hauptursache für Behandlungsfehler. Die Geburtshilfe stellt eine Besonderheit dar: Die werdende Mutter als primär nicht-pathologischer, aktiver Teil des Geburtsgeschehens wird von mehreren Berufsgruppen unterstützt bzw. versorgt und muss in Entscheidungen aktiv einbezogen werden. Zugleich können kritische Situationen kurzfristig zu akutem Handlungsbedarf führen.

Methode: Werdenden Mütter, die an einer der Studienkliniken entbinden, wird die Teilnahme an 3-stündigen Kommunikationstrainings angeboten. 101 Frauen haben nach der Schulung bereits entbunden, zusätzlich zu 66 Schwangeren in der Kontrollgruppe. In Ergänzung der quantitativen Erhebungen vor/nach der Schulung und Geburt werden qualitative Interviews mit 25–30 Frauen der Interventionsgruppe geführt. Das Sample ist stratifiziert nach demografischen Daten und Geburtsverläufen. Inhalte sind Kommunikationserfahrung und wahrgenommene Unterstützung während des Geburtsgeschehens. Bis jetzt (12.4.) wurden 12 Interviews geführt. Die Datenerhebung endet im Juni.

Ergebnisse: Die Teilnehmerinnen berichteten, dass das Kommunikationstraining dazu beigetragen hat,

1.
eigene Bedürfnisse wahrzunehmen,
2.
während des Geburtsgeschehens eigenen Wünsche und Empfindungen zu äußern,
3.
bis zum vollständigen Verständnis von Sachverhalten nachzufragen,
4.
Verständnis für gestresstes Personals bei belastenden Wartezeiten oder Unsicherheiten entwickelt zu haben, aber auch
5.
höhere Erwartungen an das Kommunikationsverhalten des (bereits geschulten) Personals zu haben.

Pandemiebedingt hatten die Partner der Entbindenden zeitlich limitierten Zugang zum Kreißsaal (zum späten Zeitpunkt der Geburt, meist nicht zur Wochenbettstation). Die Maskenpflicht schränkte persönliche Nähe ein, sodass die sprachliche Kommunikation mit dem Personal größere Bedeutung erhielt. Die Rolle der Ärzt*innen wird stärker in der Ausübung der medizinischen Aufgaben und die der Hebammen und Pflegekräfte in einer vermittelnden und begleitenden Unterstützung gesehen.

Diskussion: Das Kommunikationstraining hat bewirkt, dass die Frauen stärker die Verantwortung für die Äußerung ihrer Wünsche, Bedenken und Empfindungen wahrnehmen. Das Verständnis für die Anforderungen des professionellen Personals kann dabei zur Zurücknahme eigener Bedürfnisse, aber auch zum besseren Verständnis belastender Situationen führen.

Praktische Implikationen: Die Schulung zur Äußerung eigener Wünsche sowie Techniken zu deren Artikulation bereitet schwangere gut Frauen auf die Geburt vor. Kommunikationstrainings sollten allen Schwangeren angeboten werden.

Appell für die Praxis: Kommunikationstrainings zur Erhöhung der Versorgungszufriedenheit anbieten!


Literatur

1.
Lippke S, Wienert J, Keller FM, Derksen C, Welp A, Kötting L, Hofreuter-Gätgens K, Müller H, Louwen F, Weigand M, Ernst K, Kraft K, Reister F, Polasik A, Huener Nee Seemann B, Jennewein L, Scholz C, Hannawa A. Communication and patient safety in gynecology and obstetrics - study protocol of an intervention study. BMC Health Serv Res. 2019 Nov;19(1):908. DOI: 10.1186/s12913-019-4579-y External link