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Inanspruchnahme von Vorsorgeuntersuchungen bei Erwachsenen mit geistigen oder schweren mehrfachen körperlichen Behinderungen
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Published: | September 27, 2021 |
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Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Die medizinische Versorgung von Menschen mit Behinderung wird trotz der seit 2009 geltenden UN-BRK in vielen Fällen als defizitär beschrieben, u.a. auch die Inanspruchnahme von Vorsorgeuntersuchungen [1], [2]. Für Deutschland ist bisher unklar, inwieweit die Zielgruppe Vorsorgeuntersuchungen tatsächlich nutzt [3].
Fragestellung und Zielsetzung: Im Rahmen des Projektes MeZEB wird die ambulante medizinische Regelversorgung der Zielgruppe mittels Fragebogen- und Interviewstudie untersucht. Ziel dieses Beitrages ist die Darstellung der Inanspruchnahme von Vorsorgeuntersuchungen durch die Zielgruppe sowie Einflussfaktoren darauf, um förderliche und hemmende Faktoren für die Inanspruchnahme abzuleiten.
Methode oder Hypothese: Die Teilnehmenden (TN) wurden mittels standardisiertem Fragebogen befragt (n=107). Der Fragebogen basiert auf den Instrumenten: GEDA 2014/2015-EHIS, FIMA, IMET und SWLS. Die statistischen Analysen erfolgten deskriptiv. Weiterhin wurden qualitative Interviews mit 31 Nutzer*innen bzw. ihren An- und Zugehörigen geführt. Diese wurden fallorientiert inhaltsanalytisch aufbereitet.
Ergebnisse: In der Fragebogenstudie zeigte sich, dass die TN Vorsorgeuntersuchungen (Zahnvorsorge, Hautkrebsscreening, PAP-Test, Mammographie, Koloskopie, urologische Krebsfrüherkennung) nicht im empfohlenen Umfang in Anspruch nehmen. Eine geringere Inanspruchnahme zeigte sich insbesondere bei den TN, die ihren Gesundheitszustand subjektiv als sehr schlecht eingeschätzten sowie bei denen, die angaben, sehr stark in den Aktivitäten des täglichen Lebens (ADLs) eingeschränkt zu sein.
In der Interviewstudie wurden verschiedene weitere Einflussfaktoren hinsichtlich der Inanspruchnahme von Vorsorgeuntersuchungen deutlich. Ein hoher Unterstützungsbedarf, negative Versorgungserfahrungen sowie ein schlechter Informationsstand gehen mit einer geringeren, eine vertrauensvolle Arzt-Patienten-Beziehung mit einer höheren Inanspruchnahme einher.
Diskussion: Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Präventions- und Vorsorgeleistungen aus unterschiedlichen Gründen eine untergeordnete Rolle in der Versorgung der Zielgruppe einnehmen.
Praktische Implikationen: Es besteht Bedarf für Maßnahmen, welche die Inanspruchnahme von Vorsorgeuntersuchungen für die Zielgruppe erleichtern.
Appell für die Praxis (Wissenschaft und/oder Versorgung) in einem Satz: Die Bedeutung von Vorsorgeuntersuchungen für die Zielgruppe sollte stärker durch die Versorgenden fokussiert werden, um die Inanspruchnahme zu erhöhen.
Literatur
- 1.
- Der Paritätische, editor. Versorgungsverbund für Erwachsene mit geistiger Behinderung und schweren Mehrfachbehinderungen in Berlin. Berlin: Der Paritätische; 2015.
- 2.
- Hanlon P, MacDonald S, Wood K, Allan L, Cooper SA. Long-term condition management in adults with intellectual disability in primary care: a systematic review. BJGP Open. 2018 Apr 21;2(1):bjgpopen18X101445. DOI: 10.3399/bjgpopen18X101445
- 3.
- BMAS. Zweiter Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen. 2016.