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20. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

06. - 08.10.2021, digital

Rückkehr in die Erwerbstätigkeit nach überlebter Sepsis – Ergebnisse einer retrospektiven Kohortenstudie basierend auf deutschlandweiten AOK-Daten

Meeting Abstract

  • Carolin Fleischmann-Struzek - Institut für Infektionsmedizin und Krankenhaushygiene, Universitätsklinikum Jena, Jena, Deutschland
  • Bianka Ditscheid - Institut für Allgemeinmedizin, Universitätsklinikum Jena, Jena, Deutschland
  • Norman Rose - Institut für Infektionsmedizin und Krankenhaushygiene, Universitätsklinikum Jena, Jena, Deutschland
  • Melissa Spoden - Wissenschaftliches Institut der AOK, Berlin, Deutschland
  • Christian Günster - Wissenschaftliches Institut der AOK, Berlin, Deutschland
  • Peter Schlattmann - Institut für Medizinische Statistik, Informatik und Datenwissenschaften, Universitätsklinikum Jena, Jena, Deutschland
  • Konrad Reinhart - Klinik für Anästhesie mS operative Intensivmedizin, Charité Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Deutschland
  • Christiane Hartog - Klinik für Anästhesie mS operative Intensivmedizin, Charité Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Deutschland
  • Antje Freytag - Institut für Allgemeinmedizin, Universitätsklinikum Jena, Jena, Deutschland

20. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). sine loco [digital], 06.-08.10.2021. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2021. Doc21dkvf181

doi: 10.3205/21dkvf181, urn:nbn:de:0183-21dkvf1816

Published: September 27, 2021

© 2021 Fleischmann-Struzek et al.
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Text

Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Viele Patienten leiden nach Sepsis am Post-Sepsis-Syndrom mit lang anhaltenden neuen Erkrankungen und Pflegebedürftigkeit [1]. Die Rückkehr in die Erwerbstätigkeit nach Sepsis ist unzureichend untersucht.

Fragestellung und Zielsetzung: Welcher Anteil von Patienten kehrt nach stationär behandelter Sepsis innerhalb von 6 bzw. 12 Monaten in die Erwerbstätigkeit zurück?

Methode oder Hypothese: Retrospektive, populationsbasierte Kohortenstudie. Unter 23 Millionen AOK-Versicherten in 2013/2014 wurden erwachsene Patienten mit inzidenter krankenhausbehandelter Sepsis entsprechend expliziter ICD-10-Entlassdiagnose identifiziert. Zur Analyse der Veränderung der Erwerbstätigkeit wurde eine Subgruppe von 12-Monats-Überlebenden betrachtet, die zum Zeitpunkt der Krankenhausaufnahme mit Sepsis ≤60 Jahre alt waren und ihrer Versicherungsart entsprechend in den vier Quartalen vor Aufnahme als erwerbstätig galten (freiwillig/pflichtmäßig GKV-versichert, Rehabilitand, Rentenantragsteller). Für diese wurde der Erwerbstätigkeitsstatus 6 und 12 Monate nach Sepsis nach folgender Definition erfasst: Rückkehr in die Erwerbstätigkeit (<180/360 Tage Arbeitsunfähigkeit), anhaltende Krankschreibung (≥180/360 Tage Arbeitsunfähigkeit) oder frühzeitige Berentung (Erwerbstätigkeitsstatus: erstmalig Rentenantragsteller oder Rentenbezieher).

Ergebnisse: Von 7.370 Sepsisüberlebenden (Altersmedian: 52 Jahre, 35,3% weiblich) waren 69,2% bzw. 76,9% nach 6 bzw. 12 Monaten wieder erwerbstätig. Diese Patienten waren in den 12 Monaten nach Sepsis im Median 28 Tage (IQR 108 Tage) arbeitsunfähig. 22,8% bzw. 9,8% der Überlebenden waren 6 bzw. 12 Monate nach Sepsis weiterhin krankgeschrieben, und 8,0% bzw. 13,3% wurden in diesen Zeiträumen erstmalig zu Rentnern bzw. Rentenantragstellern. Patienten mit Rückkehr in die Erwerbstätigkeit waren im Mittel 3,3 Jahre jünger (p<.001, MW 48.0 vs. 51,3) und häufiger frei von neuen Erkrankungen nach Sepsis (40,2% vs. 16,9%, p<.001) verglichen mit Patienten ohne Rückkehr in die Erwerbstätigkeit.

Diskussion: Jeder vierte erwerbstätige Erwachsene ist 12 Monate nach Sepsis nicht in die Erwerbstätigkeit zurückgekehrt. Dies betrifft vor allem ältere Überlebende und Überlebende mit Post-Sepsis-Syndrom. Dieser Anteil ist niedriger als in einer dänischen Studie unter 70 Überlebenden nach septischem Schock (23% vs. 57%), allerdings waren die Überlebenden in der dänischen Studie älter und es wurden nur Patienten mit septischem Schock und damit höherer Erkrankungsschwere betrachtet.

Praktische Implikationen: Die Bedürfnisse jüngerer Sepsisüberlebender müssen stärker in den Fokus der Versorgung rücken, um diesen gezielte Nachsorgeangebote zu machen und ihre Rückkehr ins Erwerbsleben zu unterstützen.

Appell für die Praxis (Wissenschaft und/oder Versorgung): Jüngere Sepsisüberlebende benötigen eine gezielte Nachsorge, um Folgeerkrankungen nach Sepsis zu reduzieren und eine Rückkehr ins Erwerbsleben zu ermöglichen.


Literatur

1.
Fleischmann-Struzek C, Rose N, Freytag A, Spoden M, Prescott HC, Schettler A, Wedekind L, Ditscheid B, Storch J, Born S, Schlattmann P, Günster C, Reinhart K, Hartog CS. Epidemiology and costs of post-sepsis morbidity, nursing care dependency, and mortality in Germany [Preprint]. medRxiv. 2021.
2.
Poulsen JB, Møller K, Kehlet H, Perner A. Long-term physical outcome in patients with septic shock. Acta Anaesthesiol Scand. 2009 Jul;53(6):724-30. DOI: 10.1111/j.1399-6576.2009.01921.x External link