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20. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

06. - 08.10.2021, digital

Eine Gratwanderung – Phenprocoumon versus niedrig-dosierte direkte orale Antikoagulantien bei Vorhofflimmern. Eine Real-World Studie

Meeting Abstract

  • Lisette Warkentin - Allgemeinmedizinisches Institut, Universitätsklinikum Erlangen, Erlangen, Deutschland
  • Susann Hueber - Allgemeinmedizinisches Institut, Universitätsklinikum Erlangen, Erlangen, Deutschland
  • Barthold Deiters - GWQ ServicePlus AG Gesellschaft für Wirtschaftlichkeit und Qualität bei Krankenkassen, Düsseldorf, Deutschland
  • Florian Klohn - GWQ ServicePlus AG Gesellschaft für Wirtschaftlichkeit und Qualität bei Krankenkassen, Düsseldorf, Deutschland
  • Thomas Kühlein - Allgemeinmedizinisches Institut, Universitätsklinikum Erlangen, Erlangen, Deutschland

20. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). sine loco [digital], 06.-08.10.2021. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2021. Doc21dkvf173

doi: 10.3205/21dkvf173, urn:nbn:de:0183-21dkvf1738

Published: September 27, 2021

© 2021 Warkentin et al.
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Text

Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Die Verordnung von niedrig-dosierten direkten oralen Antikoagulantien (nd-DOAK) anstelle der Standarddosierung ist zur Schlaganfallprophylaxe bei Vorhofflimmern für einige Patient*innen, zum Beispiel bei Niereninsuffizienz, niedrigem Gewicht oder hohem Alter, empfohlen. Diese Therapieform kann bei bis zu 50% der DOAK-Verordnungen in Deutschland beobachtet werden. Bisher konnte keine klare Überlegenheit der nd-DOAK im Vergleich zu Vitamin-K-Antagonisten, insbesondere bezüglich der Effektivität, gezeigt werden. Auch gibt es wenig Vergleichsstudien von DOAKs mit Phenprocoumon.

Fragestellung und Zielsetzung: Ziel dieser Studie war es, die Effektivität und Sicherheit von nd-DOAK mit Phenprocoumon bei Patient*innen mit Vorhofflimmern unter Alltagsbedingungen zu vergleichen.

Methode oder Hypothese: In einer retrospektiven Kohortenstudie wurden Krankenkassendaten von Patient*innen, die erstmalig ein orales Antikoagulans erhielten, ausgewertet. Die Endpunkte waren thromboembolische Ereignisse, Tod und schwere Blutungen. Die Analyse erfolgte mittels Cox-Regression. In der Sensitivitätsanalyse wurden Patient*innen mit Phenprocoumon- und nd-DOAK-Kohorten mittels Propensity Score gematcht und miteinander verglichen. Geschlecht, Alter, Komorbiditäten und Medikamente wurden bei den Analysen berücksichtigt.

Ergebnisse: Phenprocoumon war mit statistisch signifikant weniger thromboembolischen Ereignissen (HR=1,29; 95% CI [1,13; 1,48]) und Todesfällen (HR=1,52; 95% CI [1,41; 1,63]) assoziiert. Es zeigte sich kein signifikant höheres Blutungsrisiko im Vergleich zu nd-DOAK (HR=0,89; 95% CI [0,79; 1,00]). Bei den nd-DOAK Kohorten zeigten Patient*innen unter Apixaban ein statistisch signifikant höheres Risiko für thromboembolische Ereignisse (HR=1,42; 95% CI [1,21; 1,65]) und Tod (HR=1,63; 95% CI [1,50; 1,76]) sowie ein geringeres Blutungsrisiko (HR=0,75; 95% CI [0,65; 0,86]). Edoxaban und Rivaroxaban waren mit einem höheren Sterberisiko verbunden (HR=1,40; 95% CI [1,22; 1,60] und HR=1,45; 95% CI [1,32; 1,59]).

Diskussion: Phenprocoumon scheint nd-DOAK gegenüber, insbesondere hinsichtlich des Auftretens thromboembolischer Ereignisse und Todesfälle, überlegen zu sein. Nd-DOAK werden teilweise trotz fehlender Kriterien für eine Dosisreduktion verordnet. Diese Unterdosierung erfolgt möglicherweise um Patient*innen vor Blutungskomplikationen zu schützen, ist jedoch im Vergleich zu Vitamin-K-Antagonisten mit einem höheren Risiko für thromboembolische Ereignisse assoziiert. Bei der Verordnung von Phenprocoumon besteht bei diesen Patient*innen die Möglichkeit eines engmaschigeren Therapie-Monitorings.

Praktische Implikationen: Bei der Therapieentscheidung sollten aktuelle Empfehlungen beachtet werden. Bei Angst vor Blutungskomplikationen sollte, statt einer unterdosierten DOAK-Therapie, besser Phenprocoumon verordnet werden.

Appell für die Praxis (Wissenschaft und/oder Versorgung) in einem Satz: Phenprocoumon scheint unter Alltagsbedingungen für Patient*innen mit erhöhtem Blutungsrisiko die bessere Wahl zu sein.