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20. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

06. - 08.10.2021, digital

Versorgungswege und Kosten von Patient:innen mit Verdacht auf Vorliegen einer seltenen Erkrankung vor Einschluss in das Innovationsfond-Projekt TRANSLATE-NAMSE aus Sicht der GKV

Meeting Abstract

  • Gabriele Müller - TU Dresden, Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus, Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung (ZEGV), Dresden, Deutschland
  • Martin Seifert - TU Dresden, Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus, Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung (ZEGV), Dresden, Deutschland
  • Luise Heinrich - TU Dresden, Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus, Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung (ZEGV), Dresden, Deutschland
  • Falko Tesch - TU Dresden, Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus, Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung (ZEGV), Dresden, Deutschland
  • Diana Druschke - TU Dresden, Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus, Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung (ZEGV), Dresden, Deutschland
  • Katja Lüloff - AOK Nord Ost, Berlin, Deutschland
  • Katrin Christiane Reber - AOK Nord Ost, Berlin, Deutschland
  • Ursula Marschall - BARMER, Institut für Gesundheitssystemforschung, Wuppertal, Deutschland
  • Jochen Schmitt - TU Dresden, Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus, Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung (ZEGV), Dresden, Deutschland

20. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). sine loco [digital], 06.-08.10.2021. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2021. Doc21dkvf171

doi: 10.3205/21dkvf171, urn:nbn:de:0183-21dkvf1716

Published: September 27, 2021

© 2021 Müller et al.
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Text

Hintergrund und Stand der Forschung: In Deutschland leiden etwa 4 Millionen Menschen an einer der ca. 6.000 derzeit beschrieben seltenen Erkrankungen (SE). Bei Patient:innen mit einer SE ist die oft späte bzw. nicht ausreichend präzise Diagnosestellung ein anerkanntes Versorgungsdefizit. Im Innovationsfonds-Projekt „TRANSLATE-NAMSE (TNAMSE): Verbesserung der Versorgung von Menschen mit SE durch Umsetzung von im nationalen Aktionsplan konsentierten Maßnahmen“ haben sich neun universitäre Zentren für seltene Erkrankungen (ZSE) 2017 bis 2020 zusammengeschlossen, um u.a. neue Konzepte für eine beschleunigte Diagnosestellung umzusetzen.

Fragestellung und Zielsetzung: Derzeit existieren kaum Angaben, welche Versorgungswege Patient:innen mit unspezifischen Symptomen und Verdacht auf eine SE durchlaufen, bis sie in einem ZSE vorstellig werden. Begründet ist dies in dem äußerst heterogenen Patientenkollektiv. Wegen fehlender Codierung von SE in den genutzten Klassifikationssystemen sind zudem kaum Aussagen zu diesen Patient:innen auf Basis von Sekundärdaten zu gewinnen. Mittels GKV-Daten wurden zu Teilnehmenden an TNAMSE Aussagen über deren Versorgungswege generiert.

Methode: Für TNAMSE-Patient:innen von 5 gesetzlichen Krankenkassen standen Kosten- und Leistungsdaten von bis zu 6 Jahren vor Einschluss in TNAMSE zur Verfügung. Da eine Zuordnung von in Anspruch genommenen Leistungen zu einer (noch nicht gestellten) spezifischen Diagnose in Abrechnungsdaten nicht möglich ist, wurde ein indirekter Weg gewählt, bei dem die Differenz zwischen Leistungen, die alters- und geschlechtsspezifisch zu erwarten sind, und den tatsächlich in Anspruch genommenen Leistungen gebildet wurde. Die erwarteten Leistungen/Kosten wurden auf Basis von i.d.R. 75 Vergleichsversicherten ermittelt. Diese waren in Geschlecht, Alter und Wohnort merkmalsgleich. Sofern verfügbar wurden nur Zeiten berücksichtigt, in denen die Patient:innen im Prozess der Diagnosefindung waren.

Ergebnisse: Die Analyse basiert auf 1.243 TNAMSE-Patient:innen mit einem mittleren Alter von 15±18 Jahren und 92.078 gematchten Vergleichsversicherten. Im Mittel wurden 1.160±643 Tage je Patient:in analysiert. Es werden Kostendifferenzen im ambulanten und stationären Bereich sowie bei Medikamenten präsentiert, zudem die Anzahl aufgesuchter Ärzte, gestellter Diagnosen und verschiedener diagnostischer Leistungen.

Diskussion: Die ermittelten Daten bestätigen die deutlich höhere Krankheitslast von Patient:innen, die sich an ein ZSE wenden. Dies gilt sowohl für Patient:innen mit einer SE als auch für all jene, bei denen der Diagnostikprozess eine häufige Erkrankung ergab oder ohne Diagnose endete.

Praktische Implikationen: Die vorgestellten Ergebnisse sind Teil der Evaluation des Innovationsfond-Projektes TNAMSE und bilden die Grundlage für Entscheidungsprozesse zur Überführung von NAMSE Maßnahmen in die Regelversorgung.

Appell für die Praxis: Die Sichtbarkeit dieser großen Anzahl von Betroffenen an einer SE ist mangels Berücksichtigung in den ambulant wie stationär genutzten Dokumentations- und Klassifikationssystemen nach wie vor nicht angemessen und sollte durch Einbeziehung von Orphanet-Codierungen verbessert werden.