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Epidemiologie und Versorgungssituation der Neurodermitis in Deutschland: Ergebnisse von Routinedaten-Analysen der Techniker Krankenkasse aus den Jahren 2016 bis 2019
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Published: | September 27, 2021 |
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Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Die Neurodermitis ist eine chronisch wiederkehrende, entzündliche Hauterkrankung, die mit trockener Haut und quälendem Juckreiz einhergeht. Die Erkrankung kann zu erheblichen physischen und psychischen Beeinträchtigungen, finanziellen Belastungen und einer Beeinträchtigung der Lebensqualität der betroffenen Menschen führen. Bislang gibt es in der Literatur inkonsistente Daten über die Erkrankungshäufigkeit und wenige Studien über die dermatologische Versorgungssituation von Patienten mit Neurodermitis in Deutschland. Trotz des vergleichsweise breiten Zugangs zu topischen und systemischen Arzneimitteln leidet ein relevanter Teil der Patienten nach wie vor unter einer hohen Krankheitslast und einer geringen Lebensqualität, was auf eine unzureichende Versorgung hindeutet.
Fragestellung und Zielsetzung: Ziel der Studie ist es auf Basis einer deutschen gesetzlichen Krankenversicherung ein umfassendes und längsschnittliches Versorgungsbild von Patienten mit Neurodermitis in Deutschland zu gewinnen.
Methode: Untersucht wurden Daten der Techniker Krankenkasse für den Beobachtungszeitraum 2016 bis 2019. Analysiert wurde die Erkrankungshäufigkeit und die Versorgungssituation.
Ergebnisse: Im Jahr 2019 waren in Deutschland 4,2% an einer Neurodermitis erkrankt (3,6 Mio.). Am höchsten war die Prävalenz in der Altersgruppe der Versicherten unter 15 Jahren (9,4%). Frauen waren etwas häufiger betroffen als Männer (4,7% und 3,6%). 12% der Versicherten mit Neurodermitis waren von einer schweren Form der Erkrankung betroffen. Über die Hälfte der Versicherten mit Neurodermitis wurden im Jahr 2019 mit einer topischen oder systemischen Arzneimitteltherapie behandelt. Am häufigsten erhielten Versicherte Corticosteroide der Klasse III (66%) und deutlich seltener eine Behandlung mit Calcineurin-Inhibitoren (6%). Corticosteroide der Klasse I werden vorwiegend durch Kinderärzte und Allgemeinmediziner verordnet. Von den antiinflammatorischen Arzneimitteln wurden am häufigsten Glukokortikosteroiden verordnet (25%). Dupilumab, welches seit Zulassung einen deutlichen Zuwachs verzeichnet, wurde mit einem Anteil von unter 1% jedoch noch selten verordnet. Auch regional konnten einige Unterschiede in Deutschland ermittelt werden.
Diskussion: Die vorliegenden Ergebnisse verdeutlichen, dass Neurodermitis eine häufige Hautkrankheit ist, die vorrangig Kinder betrifft. Bis heute besteht in der Arzneimitteltherapie bei Patienten mit einer Neurodermitis eine Unter- und Fehlversorgung.
Praktische Implikationen: Die gesamte Versorgung muss zukünftig besser strukturiert werden, ggf. durch entsprechende Versorgungsprogramme. Zudem sollten Diagnostik, Patienteninformation, Patientenbegleitung und individuell angepasster Maßnahmen regelhaft in die Versorgung etabliert werden.
Appell für die Praxis (Wissenschaft und/oder Versorgung): Voraussetzungen für die Verbesserung der Versorgung sind, dass evidenzbasierte Maßnahmen mit erwiesener Wirksamkeit wie die neuen Arzneimittel, Schulungsmaßnahmen und Empfehlungen zur Prävention umgesetzt werden.