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20. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

06. - 08.10.2021, digital

Palliative Versorgung von Bewohner*innen in Altenpflegeeinrichtungen in Niedersachsen – eine Analyse von Routinedaten der Pflegedokumentation

Meeting Abstract

  • Wenke Walther - Institut für Allgemeinmedizin, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Deutschland
  • Nils Schneider - Institut für Allgemeinmedizin, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Deutschland
  • Stephanie Stiel - Institut für Allgemeinmedizin, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Deutschland
  • Gabriele Müller-Mundt - Institut für Allgemeinmedizin, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Deutschland

20. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). sine loco [digital], 06.-08.10.2021. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2021. Doc21dkvf111

doi: 10.3205/21dkvf111, urn:nbn:de:0183-21dkvf1116

Published: September 27, 2021

© 2021 Walther et al.
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Text

Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Immer mehr Menschen versterben in Altenpflegeeinrichtungen. In der Region Hannover beispielsweise lag der Anteil der in Altenpflegeeinrichtungen Verstorben im Jahr 2017 bei 27%, während es zehn Jahre zuvor (2007) noch 15% waren [1]. Daher ist zunehmend wichtig, Palliativversorgung in Altenpflegeeinrichtungen zu implementieren und empirisch fundiert weiter zu entwickeln.

Fragestellung und Zielsetzung: Ziel der Studie war, die palliative Versorgung von Bewohner*innen in Altenpflegeeinrichtungen am Beispiel eines konfessionellen Trägerverbands in Niedersachsen zu explorieren, um Verbesserungspotentiale zu identifizieren.

Methode oder Hypothese: Durchgeführt wurde eine deskriptive Querschnittsstudie anhand von Routinedaten der Pflegedokumentation. Sie ist Teil eines mehrstufigen Projekts, das vom GKV-Spitzenverband im Rahmen der Modellvorhaben zur Weiterentwicklung der Pflegeversicherung nach § 8 Abs. 3 SGB XI gefördert wird.

In den teilnehmenden 18 Altenpflegeeinrichtungen des Verbandes wurden Versorgungsdaten aller im Jahr 2019 verstorbenen Bewohner*innen (N=491) anonym erhoben. Der strukturierte Erhebungsbogen umfasst Indikatoren [2] der palliativen Über-, Unter- und Fehlversorgung, die in der Pflegedokumentation erfasst werden (z.B. Krankenhausaufenthalte, Einbindung der ambulanten spezialisierten Palliativversorgung (SAPV) und von Hospizdiensten, Vorliegen einer Patientenverfügung). Die deskriptive und vergleichende Analyse der Daten erfolgte in SPSS.

Ergebnisse: Insgesamt erhielten wir 363 vollständige Datensätze (74%) verstorbener Bewohner*innen (71% weiblich, erreichtes mittleres Lebensalter: 87 Jahre). Bei 14% lag eine onkologische Erkrankung vor. 45% der Bewohner*innen waren in den letzten 6 Lebensmonaten mindestens einmal in stationärer Krankenhausbehandlung. Bei 6% der Bewohner*innen war ein SAPV-Team und bei 14% ein Hospizdienst in die Betreuung einbezogen. Unter den onkologisch Erkrankten lag der Anteil mit einer SAPV bei 16% und mit einer Begleitung durch einen Hospizdienst bei 30%. Unter den nicht-onkologisch Erkrankten lag der Anteil bei 4% bzw. 11%. Eine Patientenverfügung hatten 47% der Bewohner*innen. 19% der Bewohner*innen sind im Krankenhaus verstorben.

Diskussion: Krankenhausaufenthalte waren in den letzten 6 Lebensmonaten seltener als erwartet. Andere Studien zeigen höhere Zahlen [2], was auf eine recht gute palliative Versorgung in den Einrichtungen hindeuten könnte. Zugleich deuten die Daten zur Einbindung von SAPV insbesondere bei nicht-onkologisch erkrankten Bewohner*innen auf ein weiterhin bestehendes Ungleichgewicht hin. Der SAPV-Bedarf am Lebensende wird mit ca. 20% sehr viel höher geschätzt [2].

Praktische Implikationen: Um die Versorgung am Lebensende in Altenpflegeeinrichtungen zu verbessern, sollte die SAPV vor allem bei nicht-onkologisch erkrankten Bewohner*innen ausgebaut werden.


Literatur

1.
Herbst FA, Stiel S, Wiese B, Rothmund A, Yilmaz M, Schneider N. Wo versterben die Menschen in der Region Hannover? Z Allg Med. 2020;96:457-62. DOI: 10.3238/zfa.2020.0457–0462 External link
2.
Radbruch L, Andersohn F, Walker J. Überversorgung kurativ – Unterversorgung palliativ? Faktencheck Palliativversorgung Modul 3. Gütersloh: Bertelsmann Stiftung; 2015.