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20. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

06. - 08.10.2021, digital

Problemfelder und moralische Konflikte in der häuslichen Versorgung von Menschen mit Demenz durch osteuropäische live-in Hilfen – eine Analyse von Onlineinhalten und Onlinefokusgruppen im Projekt TriaDe_online

Meeting Abstract

  • Milena von Kutzleben - Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Department für Versorgungsforschung, Fak. VI, Abteilung Organisationsbezogene Versorgungsforschung, Oldenburg, Deutschland
  • Merle Weßel - Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Department für Versorgungsforschung, Fak. VI, Abteilung Ethik in der Medizin, Oldenburg, Deutschland
  • Simon Gerhards - Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Department für Versorgungsforschung, Fak. VI, Abteilung Ethik in der Medizin, Oldenburg, Deutschland
  • Lucas Rateitschak - Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Department für Versorgungsforschung, Fak. VI, Abteilung Organisationsbezogene Versorgungsforschung, Oldenburg, Deutschland
  • Mark Schweda - Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Department für Versorgungsforschung, Fak. VI, Abteilung Ethik in der Medizin, Oldenburg, Deutschland
  • Lena Ansmann - Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Department für Versorgungsforschung, Fak. VI, Abteilung Organisationsbezogene Versorgungsforschung, Oldenburg, Deutschland

20. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). sine loco [digital], 06.-08.10.2021. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2021. Doc21dkvf102

doi: 10.3205/21dkvf102, urn:nbn:de:0183-21dkvf1021

Published: September 27, 2021

© 2021 Kutzleben et al.
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Hintergrund/Fragestellung/Problem: Die meisten Menschen mit Demenz leben zu Hause. Der Leistungsumfang der gesetzlichen Pflegeversicherung reicht allerdings kaum aus, um die umfassenden Erfordernisse der häuslichen Versorgung bei Demenz zu decken. Eine Antwort auf diese Versorgunglücke sind so genannte live-in Hilfen, die meist aus osteuropäischen Ländern stammen. Familien, die sich für diese Versorgungsform entscheiden, sind bei der Organisation meist auf sich allein gestellt und die Arrangements bewegen sich fast immer in einer rechtlichen Grauzone. Die COVID-19-Pandemie hat diese Situation noch einmal verschärft. Die Sichtweisen und Handlungspraktiken der betreffenden Angehörigen sind bisher kaum empirisch beleuchtet. Das Projekt TriaDe_online geht der Frage nach, welche Themen Angehörige beschäftigen, welche Problemfelder und moralischen Konflikte bei der Versorgung von Menschen mit Demenz durch live-in Hilfen zu Tage treten, wie Angehörige die Versorgung mit der live-in Hilfe gestalten und welche Auswirkungen die COVID-19 Pandemie auf diese Arrangements hat. Im Hinblick auf die methodische Herangehensweise ergeben sich vor dem Hintergrund der Pandemie und der geltenden Kontaktbeschränkungen das Problem des Feldzugangs und vor allem Restriktionen bei der Datenerhebung.

Lösungen und Lösungsvorschläge: Onlineforen und Gruppen in sozialen Netzwerken sind eine von Angehörigen vielfach genutzte Möglichkeit, sich über das Thema live-in Hilfen auszutauschen. Dies nutzt das Projekt TriaDe_online im Rahmen eines explorativ-qualitativen Ansatz. In einem ersten Schritt wurden öffentlich zugängliche Beiträge im Hinblick auf Problemfelder und moralische Konflikte analysiert. Im zweiten Schritt werden über eine geschlossene Facebookgruppe für pflegende Angehörige zum Thema live-in Versorgung über die Administratorin als Gatekeeper Teilnehmende für Online-Gruppendiskussionen rekrutiert. Dies ermöglicht den Einschluss auch geographisch weit voneinander entfernter Teilnehmender und bietet die Möglichkeit zur kontaktlosen Datenerhebung. In den Gruppendiskussionen dienen auf Basis von Schritt 1 formulierte Fallvignetten als Stimulus. So wird für die Analyse der Argumentationsmuster und Handlungsweisen von Angehörigen ein Datenkorpus zusammengetragen. Dieses umfasst sowohl natürlich vorfindliche als auch im Rahmen der Online-Gruppendiskussionen stimulierte Austausche von Argumenten zur Versorgung eines Familienmitglieds mit Demenz durch live-in Hilfen.

Schlussfolgerung/Diskussion/Lessons Learned: Die Analyse von im Internet frei zugänglichen Diskussionsbeiträgen erwies sich bereits als fruchtbar für die Identifizierung von Problemfeldern und moralischen Konflikten in der live-in Versorgung von Menschen mit Demenz. Der Beitrag reflektiert darüber hinaus die Erfahrungen mit der beschriebenen Form der Onlineforschung, bei der der Zugang über Onlineforen und -gruppen zugleich Gegenstand, Medium und Methode ist. Zur Diskussion soll gestellt werden, unter welchen Umständen dies einen gegenstandsangemessenen Zugang für die Versorgungsforschung darstellen kann und welche methodischen und forschungsethischen Besonderheiten und Notwendigkeiten sich ergeben.