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20. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

06. - 08.10.2021, digital

Anforderungen an ein patientengerechtes Zweitmeinungsangebot – eine postalische Umfrage in der Allgemeinbevölkerung

Meeting Abstract

  • Nadja Könsgen - Universität Witten/Herdecke, Witten, Deutschland
  • Barbara Prediger - Universität Witten/Herdecke, Witten, Deutschland
  • Anna Schlimbach - Universität Witten/Herdecke, Witten, Deutschland
  • Ana-Mihaela Bora - Universität Witten/Herdecke, Witten, Deutschland
  • Simone Hess - Universität Witten/Herdecke, Witten, Deutschland
  • Dawid Pieper - Universität Witten/Herdecke, Witten, Deutschland

20. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). sine loco [digital], 06.-08.10.2021. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2021. Doc21dkvf073

doi: 10.3205/21dkvf073, urn:nbn:de:0183-21dkvf0739

Published: September 27, 2021

© 2021 Könsgen et al.
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Text

Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Zweitmeinungen (ZM) können PatientInnen in Ihrer Behandlungsentscheidung unterstützen. In Deutschland gibt es nach § 27b SGB V bei Indikation zur Hysterektomie, Tonsillektomie/Tonsillotomie, Schulterarthroskopie oder Knieendoprothese das Recht zur Einholung einer (persönlichen) ZM nach Richtlinie (RL). Indikationsstellende ÄrztInnen müssen Patienten auf die Möglichkeit zur ZM-Einholung nach RL hinweisen und sollen ein Patientenmerkblatt mit Informationen zum ZM-Verfahren aushändigen. Zusätzlich müssen die ÄrztInnen auf online verfügbare weiterführende Informationen (bspw. eingriffsspezifische Entscheidungshilfen) hinweisen. Neben der RL bieten viele Krankenversicherungen ZM-Programme an.

Fragestellung und Zielsetzung: Unser Ziel war die Erhebung der Bedürfnisse an die Ausgestaltung des ZM-Angebots durch Befragung der Allgemeinbevölkerung.

Methode: Im März und April 2020 wurden 9.990 Personen (jeweils 3300 aus ländlichen Regionen, Regionen mit Verdichtungsansätzen und städtischen Regionen) zweimal per Post um Teilnahme gebeten.

Ergebnisse: Insgesamt nahmen N=1.349 Personen teil (Antwortrate 14%). Diese waren zu 56% weiblich und im Median 58 Jahre alt (Interquartilsabstand 44–69). Bei einem Gelenkersatz fänden 73% eine ZM-Einholung (sehr) wichtig, gefolgt von einer Bandscheiben-OP (72%) Prostatektomie (57%), Hysterektomie (45%), Schulterarthroskopie (27%), und Tonsillektomie/Tonsillotomie (14%). Die meisten Befragten (Mehrfachnennungen möglich) können sich grundsätzlich vorstellen, bei ÄrztInnen in einer Praxis (81%) oder in einem Krankenhaus (72%) eine ZM einzuholen, gefolgt von der Krankenkasse (43%) und Onlineportalen (16%). Die überwiegende Mehrheit würde eine persönliche ZM eher nutzen/nutzen (97%); gefolgt von einer telefonischen ZM (23%) und einer schriftlichen ZM (16%). Die überwiegende Mehrheit möchte direkt und persönlich über die Möglichkeit eine ZM einzuholen informiert werden (89%) und vor Einholung der ZM Informationen über Behandlungsmöglichkeiten (bspw. Vor- und Nachteile von verschiedenen Behandlungen) erhalten (82%).

Diskussion: Es gibt Abweichungen zwischen den in der ZM-RL eingeschlossenen Indikationen und dem Bedarf der Allgemeinbevölkerung. Bezüglich der Anforderungen an die ZweitmeinerInnen und an die Erbringung der ZM liegen größtenteils Übereinstimmungen vor. Wie in der RL vorgesehen, werden die persönliche Aufklärung durch indikationsstellende ÄrztInnen und die Bereitstellung von Informationen über Behandlungsmöglichkeiten begrüßt. Hierfür müsste das Patientenmerkblatt ausgeteilt werden; es ist jedoch unklar, in wie weit dies in der Praxis umgesetzt wird.

Praktische Implikationen: Die Wünsche der Allgemeinbevölkerung sollten in der Ausgestaltung des ZM-Programms (entweder in der ZM-RL oder im Angebot von ZM-Programmen durch Krankenversicherungen) berücksichtigt werden.

Appell für die Praxis (Wissenschaft und/oder Versorgung) in einem Satz: Die Wünsche der Allgemeinbevölkerung sollten in der Weiterentwicklung des ZM-Angebots berücksichtigt werden.