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19. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

30.09. - 01.10.2020, digital

Telemedizinische Dringlichkeitseinschätzung in der pädiatrischen Notaufnahme – Ergebnisse aus einem Pilotprojekt

Meeting Abstract

  • Angelika Beyer - Institut für Community Medicine, Universitätsmedizin Greifswald, Greifswald, Deutschland
  • Kilson Moon - Institut für Community Medicine, Universitätsmedizin Greifswald, Greifswald, Deutschland
  • Peter Penndorf - Institut für Community Medicine, Universitätsmedizin Greifswald, Greifswald, Deutschland
  • Thomas Hirsch - Sana-Krankenhaus Bergen, Pädiatrie, Bergen, Deutschland
  • Wolfgang Hoffmann - Institut für Community Medicine, Universitätsmedizin Greifswald, Greifswald, Deutschland
  • Holger N. Lode - Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsmedizin Greifswald, Greifswald, Deutschland
  • Neeltje van den Berg - Institut für Community Medicine, Universitätsmedizin Greifswald, Greifswald, Deutschland

19. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). sine loco [digital], 30.09.-01.10.2020. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2020. Doc20dkvf438

doi: 10.3205/20dkvf438, urn:nbn:de:0183-20dkvf4387

Published: September 25, 2020

© 2020 Beyer et al.
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Text

Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: In ländlichen Regionen kann durch die geringe Dichte pädiatrischer Notaufnahmen eine wohnortnahe Versorgung nicht immer sichergestellt werden. In diesen Regionen suchen Patienten häufig ein Krankenhaus ohne Kinderabteilung und damit ohne pädiatrische Kompetenz auf. Telemedizinische Funktionalitäten bieten Möglichkeiten, fachärztliche Kompetenz sicherzustellen. So könnte die pädiatrische Versorgung in ländlichen Regionen unterstützt werden. Im hier vorgestellten Projekt wurde eine telemedizinisch durchgeführte Triage (Dringlichkeitseinschätzung) untersucht.

Fragestellung und Zielsetzung: In welchem Maß stimmen die Ergebnisse der Triage eines Patienten, die durch einen Pädiater vor Ort durchgeführt wird, mit der Einschätzung eines telemedizinisch untersuchenden Pädiaters überein?

Methode: In der kontrollierten Studie wurde ein telemedizinisches, videokonferenzbasiertes Triage-Verfahren zwischen pädiatrischen Notaufnahmen modellhaft implementiert und evaluiert. Experimental-Gruppe waren Pädiater, die eine telemedizinische Triage durchführten. Vergleichsgruppe waren diensthabende Ärzte, die denselben Patienten vor Ort eingeschätzt hatten. Für die Triage wurde ein an die Canadian Triage and Acuity Scale (Paediatric Guidelines) angelehntes, IT-gestütztes Verfahren genutzt.

Zunächst wurde der Patient vom behandelnden Arzt vor Ort triagiert, anschließend vom Telemedizin-Arzt per Videokonferenz nach der gleichen Methode (unterstützt durch eine Pflegekraft vor Ort zur Erhebung einiger Parameter (z.B. Atem-/Herzfrequenz).

Die Übereinstimmung der Dringlichkeitseinschätzungen wurde deskriptiv ausgewertet, als Übereinstimmungs-Maß Cohens gewichtetes Kappa berechnet.

Ergebnisse: 266 Patienten wurden rekrutiert. In 227 Fällen (50% männlich, 66% <7-jährig) lagen Daten für beide Untersuchungen vor. In 154 Fällen (68%) bestand Übereinstimmung der Dringlichkeitsstufe. In 50 Fällen (22%) wurde durch den Telemedizin-Arzt eine höhere Dringlichkeit erhoben, in 23 Fällen (10%) durch den Arzt vor Ort. Cohens Kappa betrug bei quadrierter Gewichtung 0,64 (= wesentliche (substantial) Übereinstimmung).

Es bestanden häufig Unterschiede bei der Atem- und Herzfrequenz, die aber nicht telemedizinisch, sondern vor Ort erhoben wurden. Bei den telemedizinisch erhobenen Parametern bestanden die häufigsten Differenzen in der Schmerz-Einschätzung (n=49).

Diskussion: Das Setting ist einerseits limitierend, da nur Fälle eingeschlossen wurden, die in Begleitung von Eltern/Betreuungspersonen in der Notaufnahme vorstellig wurden. Andererseits gibt das Studiensetting genau die Situation wieder, für die das Konzept entwickelt wurde.

Bei den Fällen, die keine Übereinstimmung in der Dringlichkeitsschätzung aufweisen, wird das in den meisten Fällen verursacht durch nicht telemedizinisch erhobene Parameter. Die Triage von akutpädiatrischen Fällen im hier erprobten Setting ist gut möglich und technisch und organisatorisch umsetzbar.

Praktische Implikationen: Die telemedizinische Triage wird nach einer Anpassung auf Basis der hier gewonnenen Erfahrungen in einem größeren Krankenhausnetz implementiert und weiterentwickelt.