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Wandern als Therapie für depressive Patienten? Explorative Pilotstudie zur systematischen Implementierung von Wanderungen in den Versorgungsalltag sowie Identifikation relevanter Zielmessgrößen in einem deutschen Klinikum für Menschen mit der Hauptdiagnose Depression – ein Zwischenbericht (quantitative Datenerhebung)
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Published: | September 25, 2020 |
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Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Insgesamt erkranken etwa 16–20% der Menschen einmal im Leben an einer Depression [1]. Die Symptome sind schwerwiegend und beeinträchtigen die Lebensqualität ernsthaft. In der psychiatrischen Versorgung zeigt sich körperliche Aktivität als hochwirksam, aber auch Mischformen aus körperlicher Aktivität, Gruppen- und Naturerleben scheinen positive Effekte zu erzielen [2]. Wandern stellt eine solche Mischform dar, die Studienlage zur Wirksamkeit und Machbarkeit im Versorgungsalltag ist aber sehr begrenzt.
Fragestellung und Zielsetzung: Explorative Analyse der Zielmessgrößen als Grundlage für die Planung und Fallzahlschätzung einer sich anschließenden randomisiert-kontrollierten Wirksamkeitsstudie.
Methode oder Hypothese: Design: Prospektive, nicht kontrollierte, explorative Interventionsstudie. Datenerhebung: Erhebung von mittelfristigen Effekten (MFE) zu Beginn und nach Ablauf des Interventionszeitraums (ca. 10 Wochen) sowie von kurzfristigen Effekten (KFE) direkt vor und nach den Wanderungen (3 Std., 1x/Woche, insges. 6 Einheiten) mittels fragebogengestützten Selbst- und Fremdbeurteilungen (n=50 Teilnehmer [TN]). Outcomes: Depressionsschwere (GRID-HAM-D, MADRS, BDI-II), Selbstwirksamkeitserwartung (SWE), Gesundheitszustand (VR36), Anhedonie (SHAPS-D), Rumination/Reflektion (RRQ), Befindlichkeit (Bf-SR), Erregung (FAS), Gefühl (FS), subjektives Anstrengungsempfinden (RPE). Datenauswertung: Deskriptive Datenanalyse, ANOVA.
Ergebnisse: Bisher wurden 47 TN (43,13±11,99 Jahre; m:51%, w:49%) eingeschlossen (stationär: n=15; tagesklinisch: n=32), wobei 7 TN (15%) die Studie vorzeitig abgebrochen haben (stationär: n=5, 33%; tagesklinisch: n=2, 6%). Insgesamt haben 33 TN die Studie abgeschlossen, wovon 94% mindestens vier und 64% die geforderten sechs Wandereinheiten absolviert haben. Durch die Coronavirus-Bestimmungen ist die Teilnahme weiterer 7 TN unterbrochen. Die Rücklaufquote der selbstbeurteilten MFE-Fragebögen ist höher als die der fremdbeurteilten (94% vs. 79%). Bezüglich der KFE beträgt diese Quote über 95%. Die Auswertung der MFE und KFE steht noch aus.
Diskussion: Der mangelhafte Rücklauf der MFE-Fremdbeurteilungen v.a. im stationären Setting (44% vs. 92% tagesklinisch) muss thematisiert werden. Außerdem muss aufgrund der geringen Aussagekraft der MFE (durch andere wirksame Therapieformen im Versorgungsalltag) gegenüber den KFE für eine Folgestudie die Machbarkeit eines Kontrolldesigns diskutiert werden.
Praktische Implikationen: Schaffung einer optimalen Basis für eine kontrollierte Wirksamkeitsuntersuchung einer wandertherapeutischen Intervention bei Patienten mit vorliegender depressiver Erkrankung. Aufzeigen von Möglichkeiten und Grenzen der Umsetzung einer Studie im Versorgungsalltag.
Literatur
- 1.
- Ebmeier KP, Donaghey C, Steele JD. Recent developments and current controversies in depression. Lancet. 2006 Jan;367(9505):153-67. DOI: 10.1016/S0140-6736(06)67964-6
- 2.
- Bragg R, Wood C, Barton J, Pretty J. Wellbeing benefits from natural environments rich in wildlife: A literature review for The Wildlife Trusts. Wivenhoe Park: University of Essex; 2015. p. 1-40.