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Individuelle Versorgungslandschaften geriatrischer Patientinnen und Patienten im Rahmen einer ganzheitlichen Versorgungsplanung (Care- und Casemanagement)
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Published: | September 25, 2020 |
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Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Sektorierung, Fragmentierung und Arztzentrierung des deutschen Gesundheitswesens stehen oft dem Ziel einer integrierten geriatrischen Versorgung zu Hause entgegen. Ein Care- und Casemanagement (CCM) an der Schnittstelle zwischen Leistungserbringern (Hausarztpraxen, Kliniken Apotheken etc.) und Patientin scheint geeignet, diesen strukturellen Beschränkungen zu begegnen. Für die Evaluation eines solchen Angebots ist die Erhebung von individuellen „Versorgungslandschaften“ von Patient*innen – spezifische Bedürfnisse, Beziehungen und Bedingungen – ein wichtiger Baustein.
Fragestellung und Zielsetzung: Wie sehen individuelle „Versorgungslandschaften“ geriatrischer Patient*innen aus?
Methode oder Hypothese: Wir verwenden eine besondere Interviewmethode, die Pictor Technique, bei der im Interview zusammen mit den Teilnehmenden ein Schaubild zur Darstellung der jeweiligen „Versorgungslandschaft“ erstellt wird. Die erhobenen Daten bestehen dabei aus der Visualisierung sowie aus dem Text des aufgezeichneten und transkribierten Interviews. Bei der Auswertung wurden Methoden der Bildinterpretation, wie auch der qualitativen Inhaltsanalyse eingesetzt.
Ergebnisse: In die Auswertung flossen 26 Interviews mit 29 Patient*innen und 7 Angehörigen (17 Einzelinterviews) ein (Interviewdauer: Ø 60 Min., Alter der Patient*innen: Ø 81 Jahren).
Im Zentrum einer jeweiligen „Versorgungslandschaft“ stehen nicht zwangsläufig Ärzt*innen und andere Leistungserbringer, sondern überwiegend Beziehungen zu unmittelbaren Angehörigen und weiteren Personen des persönlichen Umfelds. Teilweise sind Patient*innen selbst Angehörige und in die Versorgung einer anderen Person eingebunden. Die Grenzen zwischen versorgenden und zu versorgenden Personen sind entsprechend fließend. Das CCM wird hier als potenziell entlastender Faktor in oft von Überforderung geprägten Versorgungsverhältnissen wahrgenommen.
Weiterhin bemerkenswert ist die Bedeutung materialer Hilfsmittel: Duschstuhl, Gehilfe, Blutdruck-Tagebuch oder der neue Handlauf der Eingangstreppe (und die in diesen Gegenständen materialisierten Praktiken) machen für geriatrische Patient*innen einen wichtigen Teil ihrer Versorgung aus. Das CCM kann oft entscheidende Vermittlungsarbeit zwischen Patientin und Technik leisten.
Diskussion: Das CCM unterstützt betreute Menschen darin, sich in einer spezifischen Lage „zurechtzufinden“ und geeignete Umgangsweisen mit dem Altern, d.h. mit voranschreitender Gebrechlichkeit und Verlust von Selbstständigkeit, selbst zu entwickeln. Es bietet Anleitung zum Selbstmanagement.
Praktische Implikationen: Die Befragung von Patient*innen und Angehörigen deutet darauf hin, dass der kontinuierliche Besuch der Care- und Casemanagerin dazu beitragen kann, Selbstwirksamkeit zu fördern und ein ressourcenorientiertes Selbstbild als geriatrische Patientin zu entwickeln.