gms | German Medical Science

19. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

30.09. - 01.10.2020, digital

Subjektive Erwerbsprognose und Determinanten der Reha-Antragsintention bei Erwerbstätigen mit Rückenschmerzen

Meeting Abstract

  • David Peter Fauser - Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Universität zu Lübeck, Lübeck, Deutschland
  • Nadine Schmitt - Institut für Rehabilitationsmedizin, Profilzentrum Gesundheitswissenschaften, Medizinische Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle (Saale), Deutschland
  • André Golla - Institut für Rehabilitationsmedizin, Profilzentrum Gesundheitswissenschaften, Medizinische Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle (Saale), Deutschland
  • Julia-Marie Zimmer - Institut für Rehabilitationsmedizin, Profilzentrum Gesundheitswissenschaften, Medizinische Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle (Saale), Deutschland
  • Wilfried Mau - Institut für Rehabilitationsmedizin, Profilzentrum Gesundheitswissenschaften, Medizinische Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle (Saale), Deutschland
  • Matthias Bethge - Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Universität zu Lübeck, Lübeck, Deutschland

19. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). sine loco [digital], 30.09.-01.10.2020. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2020. Doc20dkvf400

doi: 10.3205/20dkvf400, urn:nbn:de:0183-20dkvf4009

Published: September 25, 2020

© 2020 Fauser et al.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution 4.0 License. See license information at http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Outline

Text

Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Zu den persönlichen Voraussetzungen für die Bewilligung medizinischer Reha-Leistungen zählt die Gefährdung der Erwerbsfähigkeit aufgrund von Krankheit, die durch die subjektive Erwerbsprognose operationalisiert werden kann. Der tatsächlichen Reha-Antragstellung geht vielfach ein Prozess voraus, der ein Reha-Bedürfnis und eine daraus resultierende Antragsintention beinhaltet.

Fragestellung und Zielsetzung: Ziel der Analyse war der Vergleich von Personen mit Rückenschmerzen differenziert nach positiver und negativer subjektiver Erwerbsprognose und die Klärung, welche Determinanten eine Antragsintention bei negativer Erwerbsprognose beeinflussen.

Methode: Die Daten wurden 2017 im Rahmen einer DFG-geförderten prospektiven Kohortenstudie erhoben (DRKS00011554). Eingeschlossen wurden erwerbstätige Personen (45-59 Jahre; ohne Reha-Antrag in den letzten vier Jahren; kein Antrag auf Erwerbsminderungsrente) mit Rückenschmerzen in den letzten drei Monaten. Die Unterschiede zwischen Personen mit positiver und negativer Erwerbsprognose analysierten wir mittels t-Tests und Chi2-Tests. Bei Personen mit negativer Erwerbsprognose wurde die vorhergesagte Wahrscheinlichkeit für eine Antragsintention mittels Propensity Scores (PS) geschätzt. Hierfür berechneten wir logistische Regressionsmodelle mit unterschiedlichen Variablensets (1. Modell: gesundheitsbedingte Variablen; 2. Modell: gesundheitsbedingte Variablen sowie intentionsfördernde und -hemmende Variablen hinsichtlich Rehabilitation; Modellgüte: McFadden R2).

Ergebnisse: 27,3% der insgesamt 6.654 in die Analyse eingeschlossenen Personen berichteten eine negative subjektive Erwerbsprognose. Erwartungsgemäß zeigten sich zwischen Personen mit positiver und negativer Erwerbsprognose deutliche Unterschiede hinsichtlich gesundheitlicher Beeinträchtigungen. Ein Viertel der Personen mit negativer Erwerbsprognose hatte vor, einen Reha-Antrag zu stellen. 74,4% beabsichtigten trotz der negativen subjektiven Erwerbsprognose keine Antragstellung. Gesundheitsbedingte Variablen erklärten dies kaum (1. Modell: McFadden R2=0,03). Eine fehlende Antragsintention wurde durch negative Konsequenzerwartungen, soziale Unterstützung durch Familie oder Ärzt*innen sowie frühere Reha-Erfahrung vorhergesagt (2. Modell: McFadden R2=0,20). Die Verteilungen der PS überlappten auch im 2. Modell: Bei 29,5% der Personen ohne Antragsintention war der PS mindestens so hoch wie bei 75% der Personen mit Antragsabsicht.

Diskussion: Eine negative subjektive Erwerbsprognose ist mit vielfältigen Einschränkungen assoziiert und eignet sich als Indikator der Voraussetzungen für eine medizinische Rehabilitation. Trotz subjektiv starker Einschränkungen planen drei Viertel dieser Personen keine Reha-Beantragung. Gesundheitliche Beeinträchtigungen erklären dies kaum. Stattdessen spielen Einstellungen zur Rehabilitation und die erfahrene Unterstützung eine große Rolle.

Praktische Implikationen: Die Analysen zeigen die hohe Bedeutung der durch Familie und Ärzte*innen erlebten sozialen Unterstützung für die Intentionsbildung im Rahmen der Reha-Antragstellung.

Förderung: DFG-geförderte prospektive Kohortenstudie (DRKS00011554).