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Medizinisch und ökonomisch sinnvolle Konzepte zum Delirmanagement an Krankenhäusern
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Published: | September 25, 2020 |
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Hintergrund: Ein Delir führt zu deutlichen oft nicht reversiblen medizinischen Folgen für die Patienten und kann durch höhere Pflegeintensität und längere Verweildauern zu höheren Kosten für das Krankenhaus führen. Ein Delir ist häufig: Rund 53% aller Patienten >70 Jahre entwickeln während ihres stationären Aufenthaltes im Krankenhaus ein Delir. In der Notaufnahme gilt das Delir mit 75% als das am häufigsten übersehene Krankheitsbild bei älteren Patienten [1]. Die Mortalität eines nicht behandelten Delirs entspricht denen eines Myokardinfarktes im Krankenhaus [2]. Derzeit wird das Delir in Krankenhäusern oft nicht ausreichend erkannt, dokumentiert und entsprechend therapiert. Die meisten publizierten Delirpräventionskonzepte sind nicht im deutschen Krankenhausalltag entwickelt; schlüssige und überregional akzeptierte Konzepte fehlen bisher.
Methode: In einer prospektiven randomisierten Studie (773 Patienten, 78 ± 12 Jahre) wurde ein Konzept zum Delirmanagement mit einem multidisziplinären medizinischen, pflegerischen und pharmakologischen Team an einem maximalversorgenden Krankenhaus umgesetzt. Primärer Zielparameter war die Delirhäufigkeit in der Kontroll- und der Interventionsgruppe. Sekundäre Zielparameter waren die Delirlänge, Einschränkungen der Alltagsaktivitäten 12 Monate nach Entlassung, aber auch Liegezeit, Pflegeaufwand und die Behandlungskostenbilanz.
Ergebnisse: In der Kontrollgruppe entwickelten 20,5% der Patienten ein Delir, in der Interventionsgruppe nur 7% (p<0.0001) und die durchschnittliche Delirdauer betrug 7 vs. 3,5 Tage (p<0.0001). 12 Monate nach Entlassung zeigten die Delirpatienten der Interventionsgruppe gegenüber der Kontrollgruppe weniger kognitive Defizite und deutlich weniger alltagsrelevante Einschränkungen (p<0.05). Durch die Verkürzung der Verweildauer bei Patienten in der Interventionsgruppe lässt sich modelhaft ein Potential von 2.118 Belegungstagen pro Jahr als freiwerdende Bettenkapazität mit zusätzlichem Erlöspotential ableiten (bei einer Stationsauslastung von 85% und durchschnittlicher Verweildauer von 6,3 Tagen).
Schlussfolgerung: Die Durchführung eines professionellen Delirmanagements verbessert nicht nur die Qualität der medizinischen Patientenversorgung in einem Krankenhaus, sondern auch die Wirtschaftlichkeit. Wir empfehlen das schlüssige Umsetzen eines Konzeptes zur Delirprävention und Delirtherapie, um eine ausreichende Effektivität und auch eine nachhaltige Akzeptanz im Krankenhaus zu erreichen.
Das UKM analysiert in dem aktuellen Innovationsfondprojekt „Kompass D2“ neben der Untersuchung der Wirksamkeit eines Einsatzes telemedizinischer Beratung auch die Refinanzierung des Konzeptes. Hier wird die Einmündung mittels Selektivverträge (§140a SGB V) in die Regelversorgung angestrebt.
Das UKM wurde als erstes demenz-/delirsensibles Krankenhaus gem. der DIN EN ISO 9001:2015 zertifiziert und arbeitet im Rahmen einer speziellen Norm (DIN SPEC) an der Schaffung von Qualitätsstandards im Delir-Management. Ein Qualitätsverband soll die Erfahrung und Expertise mit anderen Krankenhäusern teilen, um eine kontinuierliche Verbesserung des Delir-Managements zu sichern. Unter Einbeziehung der geschaffenen Qualitätsstandards strebt der Verband eine wirksame Refinanzierung gegenüber den Kostenträgen an.