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Patientensicherheit in der Ambulanten Versorgung (PAV) – das Facharztgebiet des behandelnden Arztes als Determinante patientensicherheitsrelevanter Ereignisse
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Published: | September 25, 2020 |
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Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Die kürzlich abgeschlossene PAV-Studie (Innovationsfonds-Projekt 01VSF16015) lieferte erstmals repräsentative Zahlen zur Häufigkeit patientensicherheitsrelevanter Ereignisse (PSI) im ambulanten Sektor Deutschlands aus der Perspektive von Patienten. Demnach erlebten 14,2% aller Personen ≥40 Jahre in den letzten 12 Monaten mindestens ein PSI. Um effektiv PSI-Prävention zu gestalten ist es wichtig, Risikofaktoren für ein gehäuftes PSI-Erleben zu identifizieren.
Fragestellung und Zielsetzung: Die vorliegende Subanalyse der PAV-Studie analysiert den Zusammenhang zwischen dem Facharztgebiet des Behandelnden und dem Auftreten von PSI. Dabei liegt das primäre Augenmerk auf den jeweiligen Häufigkeiten. Sekundär wird zwischen den PSI-Arten und den Schadensfolgen für die Patient*innen unterschieden.
Methode oder Hypothese: Datengrundlage sind die mittels computerunterstützter Telefoninterviews erhobenen Befragungsdaten der PAV-Studie, in der von Mai bis Oktober 2018 bundesweit 10037 zufällig rekrutierte Personen ≥40 Jahre zu ihren Erfahrungen mit PSI befragt wurden. Durch Gewichtung anhand soziodemographischer und räumlicher Faktoren repräsentiert die Stichprobe die Gesamtheit der deutschen Bürger ≥40 Jahre.
Ergebnisse: Mindestens 1 PSI in den 12 Monaten vor der Befragung berichteten 1.570 (15,6%) der 10.037 in die Subanalysen eingeflossenen Personen; insgesamt wurden 2.832 PSI angegeben. 43% der berichteten PSI traten bei Allgemeinmedizinern und 54% der PSI bei einem spezialisierten Facharzt auf. Unter den Fachärzten wurden die meisten PSI bei Orthopäden (N=417) und Internisten (N=260) berichtet. Fast 75% (95%CI: 73,1-76,3%) der PSI hatten schädliche Folgen für die betroffenen Personen. Während Hausärzte mit 72,4% (95%CI: 69,9-74,9%) unter diesem Schnitt lagen, stachen Hals-Nasen-Ohren-(HNO)-Fachärzte (92%, 95%CI: 85,8-98,8%), Chirurgen (86%, 95%CI: 79,0-92,4%) und Orthopäden (84%, 95%CI: 80,9-87,9%) mit besonders hohen Schadensquoten hervor. Grundsätzlich waren die meisten Schäden leichter (37,5%, 95%CI: 35,5-39,6%) oder schwerer (40%, 95%CI: 37,5-41,7%) Natur. 14% (95%CI: 12,7-15,7%) der schädlichen Folgen hinterließen einen sehr schweren Schaden. Im Speziellen ergaben sich in folgenden Spezialisierungen überdurchschnittliche Schäden: 78,8% (95%CI: 64,6-93,0%) der PSI bei Augenärzten, 72,6% (95%CI: 67,9-77,3%) der PSI bei Orthopäden und 67,4% (95%CI: 57,6-77,2%) der PSI bei Chirurgen brachten den Betroffenen schwere oder sehr schwere Schäden ein. Die Schäden durch berichtete PSI bei Hausärzten wurden eher als leicht oder sehr leicht eingestuft (56%, 95%CI: 53,3-59,9%). Pearsons Chi2-Test zeigt eine signifikante Assoziation zwischen dem Auftreten eines PSI bei einem Haus- oder Facharzt und der Schwere des Schadens (Chi2(1)=75,47, p=.000).
Diskussion: Auch wenn das Berichten von PSI nicht direkt gleichzusetzen ist mit dem tatsächlichen Auftreten ärztlich objektivierter PSI, können die unterschiedlichen PSI-Zahlen und daraus folgende Schäden als Hinweise interpretiert werden, bei welchen Facharztgebieten mögliche Präventionsmaßnahmen zur Erhöhung der Patientensicherheit besonders effektiv sein könnten.
Förderung: Innovationsfonds-Projekt 01VSF16015.