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19. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

30.09. - 01.10.2020, digital

Patientensicherheit in der Ambulanten Versorgung (PAV) – soziodemographische Patienteneigenschaften als Determinanten patientensicherheitsrelevanter Ereignisse

Meeting Abstract

  • Cara Lachmann - Institut für Versorgungsforschung und Klinische Epidemiologie, Marburg, Deutschland
  • Svenja Krause - Institut für Versorgungsforschung und Klinische Epidemiologie, Marburg, Deutschland
  • Johannes Leinert - infas Institut für angewandte Sozialwissenschaft GmbH, Bonn, Deutschland
  • Max Geraedts - Institut für Versorgungsforschung und Klinische Epidemiologie, Marburg, Deutschland

19. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). sine loco [digital], 30.09.-01.10.2020. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2020. Doc20dkvf366

doi: 10.3205/20dkvf366, urn:nbn:de:0183-20dkvf3666

Published: September 25, 2020

© 2020 Lachmann et al.
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Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Die kürzlich abgeschlossene PAV-Studie (Innovationsfonds-Projekt 01VSF16015) lieferte erstmals repräsentative Zahlen zur Häufigkeit patientensicherheitsrelevanter Ereignisse (PSI) im ambulanten Sektor Deutschlands aus der Perspektive von Patient*innen. Demnach erlebten 14,2% aller Personen ≥40 Jahre in den letzten 12 Monaten mindestens ein PSI. Um effektiv PSI-Prävention zu gestalten ist es wichtig, Risikofaktoren für ein gehäuftes PSI-Erleben zu identifizieren.

Fragestellung und Zielsetzung: Die vorliegende Subanalyse der PAV-Studie analysiert den Zusammenhang soziodemographischer Patienteneigenschaften – Geschlecht, Alter, Migrationshintergrund, sozioökonomischer Status (SES) – mit dem Berichten von PSI.

Methode: Datengrundlage sind die mittels computerunterstützter Telefoninterviews erhobenen Befragungsdaten der PAV-Studie, in der von Mai bis Oktober 2018 bundesweit 10.037 zufällig rekrutierte Personen ≥40 Jahre zu Erfahrungen mit PSI befragt wurden. Durch Gewichtung anhand soziodemographischer und räumlicher Faktoren repräsentiert die Stichprobe die Gesamtheit der deutschen Bürger ≥40 Jahre. Der Zusammenhang zwischen der Soziodemographie und dem PSI-Erleben wurde mit Hilfe von Chi2-Tests und binären logistischen Regressionsmodellen untersucht.

Ergebnisse: Mindestens 1 PSI in den 12 Monaten vor der Befragung berichteten 1360 (14,3%) der 9484 in die Subanalysen eingeflossenen Personen. Für die soziodemographischen Einordnungen im Speziellen ergaben sich in folgenden Kategorien überdurchschnittliche Anteile: 15,8% der Frauen, 15,9% der 40-59-Jährigen, 17,4% der Personen mit Migrationshintergrund sowie 21,6% der Personen mit niedrigem SES berichteten ≥1 PSI. Das logistische Regressionsmodell zeigte für alle vier soziodemographischen Parameter einen signifikanten Einfluss auf das Berichten von ≥1 PSI in den letzten 12 Monaten (Chi2(6)=112,07, p=.000); Nagelkerkes R2 betrug .021, was auf einen schwachen Effekt hinweist. Der stärkste Zusammenhang zeigte sich für die Altersgruppen: Das Risiko der >80-Jährigen betrug nur 0,55 (95%-CI: 0,429-0,693), das der 60-79-Jährigen 0,86 (95%-CI: 0,763-0,978) des Risikos der 40-59-Jährigen. Der zweitstärkste Zusammenhang findet sich bei dem SES: Das PSI-Risiko der Gruppe mit niedrigem SES war 1,75 mal so hoch wie in der Gruppe mit hohem SES (95%-CI: 1,472-2,077). Für den Vergleich des PSI-Berichtens von Frauen gegenüber Männern ergab sich eine OR von 1,33 (95%-CI: 1,181-1,491); der Vergleich von Personen mit gegenüber denen ohne Migrationshintergrund ergab eine OR von 1,23 (95%-CI: 1,058-1,421).

Diskussion: Auch wenn das Berichten von PSI nicht direkt gleichzusetzten ist mit dem tatsächlichen Auftreten ärztlich objektivierter PSI, können die isolierten soziodemographischen Einflussfaktoren als Hinweise interpretiert werden, bei welchen Bevölkerungsgruppen mögliche Präventionsmaßnahmen besonders effektiv die Patientensicherheit erhöhen könnten.

Förderung: Innovationsfonds-Projekt 01VSF16015.