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19. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

30.09. - 01.10.2020, digital

FindHIV – eine deutschlandweite Studie zur frühzeitigen Identifikation der HIV-Infektion mittels normierter Diagnosekriterien

Meeting Abstract

  • Anja Neumann - Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universität Duisburg-Essen, Essen, Deutschland
  • Frederik Valbert - Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universität Duisburg-Essen, Essen, Deutschland
  • Eva Wolf - Muc Research, München, Deutschland
  • Paul Lauscher - Muc Research, München, Deutschland
  • Birgit Mück - Muc Research, München, Deutschland
  • Christine Kögl - Muc Research, München, Deutschland
  • Stefan Preis - Clinovate, München, Deutschland
  • Nikola Hanhoff - Deutsche Arbeitsgemeinschaft niedergelassenere Ärzte in der Versorgung HIV-Infizierter e.V., Berlin, Deutschland
  • Silke Neusser - Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universität Duisburg-Essen, Essen, Deutschland
  • Knud Schewe - ICH Hamburg, Hamburg, Deutschland
  • Sven Schellberg - NOVOPRAXIS Berlin GbR, Berlin, Deutschland
  • Jürgen Wasem - Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universität Duisburg-Essen, Essen, Deutschland

19. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). sine loco [digital], 30.09.-01.10.2020. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2020. Doc20dkvf298

doi: 10.3205/20dkvf298, urn:nbn:de:0183-20dkvf2984

Published: September 25, 2020

© 2020 Neumann et al.
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Text

Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Eine frühzeitige Diagnose und Therapie können zu einer Kontrolle der HIV-Infektion mit Virussuppression und geringer Morbidität und damit ggf. zu einer Reduktion von Behandlungskosten führen. Trotz eines gestiegenen Wissens um HIV/AIDS und guter therapeutischer Optionen wird ein relevanter Anteil von HIV-Infektionen weiterhin erst sehr spät diagnostiziert (mit einer CD4-Zellzahl < 350/µl und/oder einer vorliegenden AIDS-definierenden Erkrankung). Diese Betroffenen werden als „Late Presenter“ (LP) bezeichnet. Die späte Diagnose kann zu einer erhöhten Morbidität, aufgrund derer z.T. sehr hohe Krankheitsosten anfallen, einer erhöhten Mortalität aufgrund von HIV/AIDS sowie einem erhöhten Risiko der Transmission auf weitere Partner führen.

Fragestellung und Zielsetzung: Die Zielsetzung von FindHIV besteht in der Entwicklung eines Scores/Fragenkatalogs zur Frühdiagnose der HIV-Infektion und die Erarbeitung von Handlungsempfehlungen zu dessen Einsatz.

Methode oder Hypothese: Auf Basis einer standardisierten, arztgestützten Befragung von 800 Patienten mit HIV-Neudiagnose werden patientenseitige Charakteristika erhoben. Ferner werden die typischen Symptome/Diagnosen erfragt, mit denen Menschen mit HIV-Infektion noch vor Diagnosestellung im Gesundheitssystem vorstellig wurden und an welchen Stellen diese Kontakte stattfanden. Anhand dieser Daten sollen Indikatoren für Late Presentation ermittelt werden und welche weiteren Faktoren potentiell zu einer Verzögerung der Diagnose einer HIV-Infektion geführt haben. Unter Einbeziehung von Fokusgruppengesprächen und einer systematischen Literaturrecherche sollen ein Scoring-System zur Diagnoseunterstützung sowie Handlungsempfehlungen zu dessen Einsatz erarbeitet werden.

Ergebnisse: Bis zur Zwischenauswertung im September 2019 (n=207) wurden überwiegend männliche Studienteilnehmer (91%) rekrutiert. Das durchschnittliche Alter der eingeschlossenen Patienten beläuft sich auf 41 Jahre. Als häufigster möglicher Übertragungsweg der HIV-Infektion wird Sex zwischen Männern (75%) angegeben. Bereits die ersten Zwischenergebnisse weisen auf verpasste Chancen hin, eine HIV-Diagnose früher zu stellen. Insbesondere betrifft dies die Gruppe der LP, bei denen nach Einschätzung des behandelnden Arztes in 58% der Fälle die Diagnose hätte früher gestellt werden können, z. B. bei vorherigen Kontakten zum Gesundheitswesen aufgrund von HIV-assoziierten Erkrankungen oder typischer Symptomatik.

Diskussion: Die Studie untersucht die Charakteristika von Patienten mit HIV-Neudiagnose und deren vorausgegangene Kontakte zum Gesundheitswesen. Die hohe Anzahl von LP weist auf patientenseitige sowie strukturelle Gegebenheiten hin, die zu einer Verzögerung der HIV-Diagnose führen. Die FindHIV-Studie soll diese Problematik näher beschreiben und einen Beitrag zur Verbesserung der Versorgungssituation zu leisten.

Praktische Implikationen: Durch eine aktuelle Abbildung der Charakteristika von Patienten mit HIV-Neuinfektion mit besonderem Fokus auf Late Presenter besteht die Möglichkeit zur Bildung eines Systems zur Diagnoseunterstützung mit Handlungsempfehlungen, die in der klinischen Praxis eingesetzt werden kann, um eine frühzeitige Diagnose der Infektion zu befördern.