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19. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

30.09. - 01.10.2020, digital

Was beeinflusst die Entscheidung, Pflegeheimbewohner ins Krankenhaus zu schicken? Eine Analyse von Daten der HOMERN Studie

Meeting Abstract

  • Alexander Maximilian Fassmer - Department für Versorgungsforschung, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Oldenburg,
  • Alexandra Pulst - Institut für Public Health und Pflegeforschung, Universität Bremen, Bremen, Deutschland; Wissenschaftsschwerpunkt Gesundheitswissenschaften, Universität Bremen
  • Guido Schmiemann - Institut für Public Health und Pflegeforschung, Universität Bremen, Bremen, Deutschland; Wissenschaftsschwerpunkt Gesundheitswissenschaften, Universität Bremen; Institut für Allgemeinmedizin, Medizinische Hochschule Hannover (MHH)
  • Falk Hoffmann - Department für Versorgungsforschung, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Oldenburg,

19. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). sine loco [digital], 30.09.-01.10.2020. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2020. Doc20dkvf207

doi: 10.3205/20dkvf207, urn:nbn:de:0183-20dkvf2071

Published: September 25, 2020

© 2020 Fassmer et al.
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Text

Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Pflegeheimbewohner werden häufig (ungeplant) in Krankenhäuser transportiert und dort behandelt. Die Entscheidung für oder gegen einen Transport ist komplex und wird durch viele Faktoren (u.a. Erreichbarkeit von Hausärzten, Personalausstattung in Heimen) beeinflusst. Konkrete Daten für Deutschland liegen allerdings nicht vor.

Fragestellung und Zielsetzung: Ziel dieser Studie war es, ein detailliertes Bild von ungeplanten Krankenhausbesuchen aus Pflegeheimen zu generieren. Der Fokus lag auf dem Entscheidungsprozess und Einflussfaktoren.

Methode oder Hypothese: Prospektive Erfassung aller Krankenhaustransporte von 802 Bewohnern in 14 teilnehmenden Pflegeheimen über jeweils 12 Monate in Bremen und dem niedersächsischen Umland. Geschulte Pflegekräfte erfassten Informationen zu jedem Krankenhaustransport mittels Fragebogen. Erhoben wurden Kontakte zu Haus- und Fachärzten, dem ärztlichen Bereitschaftsdienst (ÄBD) und dem Rettungsdienst in den 48 Stunden vor dem Transport. Zudem sollten die Pflegekräfte Einflussfaktoren auf die Transportentscheidung sowie die (potentielle) Vermeidbarkeit des Krankenhausbesuchs beurteilen. Die Auswertung erfolgte deskriptiv.

Ergebnisse: 535 ungeplante Transporte (63,1% stationäre Aufnahmen, 36,9% Notaufnahmebesuche) fanden statt. Die Bewohner waren im Mittel 83,8 Jahre alt und meistens weiblich (70,2%). Die häufigsten zugrundeliegenden Beschwerdebilder, die zum Transport führten, waren eine Verschlechterung des Allgemeinzustandes (35,1%) und Stürze/Unfälle/Verletzungen (33,5%). Bei weniger als der Hälfte der Bewohner lag eine Patientenverfügung vor – mit einer großen Spannweite zwischen den 14 Einrichtungen (8,3%–80,0%). Bei 53,5% der Transporte gab es in den 48 Stunden zuvor keinerlei Kontakt zum Hausarzt, zu einem Facharzt oder zum ÄBD (Spannweite zwischen den Heimen: 16,7%–67,7%). Meistens (65,2%) war der Hausarzt nicht in die finale Transportentscheidung involviert. Die Pflegekräfte schätzten lediglich 9,2% der Transporte als potentiell vermeidbar ein. Die relevantesten Einflussfaktoren für die Transportentscheidung waren die Erfahrungen des beteiligten Pflegepersonals (48,2%) und mögliche rechtliche Konsequenzen bei Verzicht auf eine Einweisung (34,1%).

Diskussion: Die Erfahrungen des Pflegepersonals sowie die Angst vor rechtlichen Konsequenzen beeinflussen die Entscheidung zum Krankenhaustransport maßgeblich, die ärztlichen Versorger sind häufig unzureichend in die Transportentscheidung eingebunden. Zudem existieren teils große Unterschiede zwischen Heimen. Der Anteil subjektiv vermeidbar eingeschätzter Transporte liegt deutlich niedriger als in der Literatur.

Praktische Implikationen: Verbesserungsmaßnahmen müssen auf eine bessere Erreichbarkeit und Einbindung von Ärzten sowie eine bessere Kommunikation der beteiligten Player untereinander fokussieren. Auch die Bewohnerwünsche müssen systematisch dokumentiert sein (z.B. in Form von Patientenverfügungen) und angemessen berücksichtigt werden.