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19. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

30.09. - 01.10.2020, digital

Langzeitpflegepräferenzen und deren Determinanten aus der Perspektive von 65- bis 75-Jährigen

Meeting Abstract

  • Lea Raiber - Institut für Gerontologische Versorgungs- und Pflegeforschung (IGVP), Hochschule Ravensburg-Weingarten, Weingarten, Deutschland
  • Claudia Boscher - Institut für Gerontologische Versorgungs- und Pflegeforschung (IGVP), Hochschule Ravensburg-Weingarten, Weingarten, Deutschland
  • Florian Fischer - Institut für Gerontologische Versorgungs- und Pflegeforschung (IGVP), Hochschule Ravensburg-Weingarten, Weingarten, Deutschland
  • Maik H.-J. Winter - Institut für Gerontologische Versorgungs- und Pflegeforschung (IGVP), Hochschule Ravensburg-Weingarten, Weingarten, Deutschland

19. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). sine loco [digital], 30.09.-01.10.2020. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2020. Doc20dkvf132

doi: 10.3205/20dkvf132, urn:nbn:de:0183-20dkvf1321

Published: September 25, 2020

© 2020 Raiber et al.
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Text

Hintergrund: Die demografische Entwicklung wird die Zahl der Pflegebedürftigen weiter ansteigen lassen. Der Wunsch nach einer möglichst langen Versorgung in der eigenen Häuslichkeit im Fall einer Pflegebedürftigkeit scheint dabei zu dominieren [1]. Dennoch fehlen bislang differenzierte Kenntnisse zu Pflegepräferenzen. Zudem ist weitgehend unklar, welche Faktoren in welcher Weise zum Entstehen dieser Präferenz beitragen.

Fragestellung: Welche Versorgungsformen präferieren 65- bis 75-Jährige für ihre (zukünftige) Pflege und welche Faktoren sind mit diesen individuellen Pflegepräferenzen assoziiert?

Methode: Es wurde eine repräsentative schriftlich-postalische Befragung bei 65- bis 75-Jährigen in der Region Bodensee-Oberschwaben durchgeführt, an der 625 Personen teilgenommen haben (Rücklauf 25,0%). Die Befragten bewerteten u.a. zehn Versorgungsformen dahingehend, ob sie sich diese für ihre eigene Pflege vorstellen können. Die Analyse der Daten erfolgte deskriptiv, bivariat und multivariat (Regressionsmodelle).

Ergebnisse: Im Fall der eigenen Pflegebedürftigkeit wünschen sich die Befragten erwartungsgemäß überwiegend eine häusliche Versorgung, vorzugsweise jedoch in Zusammenspiel mit professioneller Hilfe. Eine Pflege zu Hause durch einen ambulanten Pflegedienst (92,9%) oder eine Kombination mit Tagespflege (82,4%) entspricht am häufigsten der Pflegepräferenz. Eine Pflege an anderen Orten (u.a. Pflegeheim, Pflege im Ausland) wird deutlich seltener präferiert.

Eine rein informelle Pflege durch Angehörige kann sich weniger als die Hälfte der Befragten (46,7%) eher bzw. gut vorstellen. Männer präferieren diese Versorgungsform im Vergleich zu Frauen signifikant häufiger.

Eine rein informelle Pflege durch Angehörige kann sich weniger als die Hälfte der Befragten (46,7%) eher bzw. gut vorstellen. Männer präferieren diese Versorgungsform im Vergleich zu Frauen signifikant häufiger (χ2(1)=8,276, p=0,004, n=522). Befragte, die mit mindestens einer weiteren Person im Haushalt leben, können sich eine Pflege durch Angehörige häufiger vorstellen als alleinlebende Personen (χ2(1)=25,374, p<0,000, n=516). Tendenziell bevorzugen die etwas Jüngeren (65- bis 69-Jährige) informelle Pflege stärker als 70- bis 75-Jährige (χ2(1)=2,782, p=0,095, n=521), dies gilt auch für Befragte mit Kindern im Vergleich zu den Kinderlosen (χ2(3)=7,152, p=0,067, n=522). Hinsichtlich Schulbildung und Pflegevorerfahrung zeigen sich keine signifikanten Zusammenhänge. Die multivariaten Analysen befinden sich in Bearbeitung, die Ergebnisse liegen zum Kongress vor.

Diskussion: Entgegen den Implikationen von SGB XI zeigt sich, dass die Präferenz einer häuslichen Versorgung nicht originär mit familialer Pflege verbunden ist – sondern meist eine professionelle Unterstützung gewünscht wird. Diese Erwartung an die Langzeitversorgung indiziert gleichzeitig einen hohen Bedarf an beruflich Pflegenden.

Praktische Implikationen: Die Befunde sind für die konkrete Ausgestaltung der pflegerischen Versorgung relevant, um eine bedarfs- und präferenzgerechte Pflege sicher zu stellen und die Selbstbestimmtheit auch im höheren Lebensalter aufrechtzuerhalten – aber auch um die Diskrepanz zwischen Erwartungen und Realität zu vermindern.


Literatur

1.
Hajek A, Lehnert T, Wegener A, Riedel-Heller SG, König HH. Langzeitpflegepräferenzen der Älteren in Deutschland – Ergebnisse einer bevölkerungsrepräsentativen Umfrage [Long-Term Care Preferences Among Individuals of Advanced Age in Germany: Results of a Population-Based Study]. Gesundheitswesen. 2018 Aug;80(8-9):685-692. DOI: 10.1055/s-0042-124663 External link