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19. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

30.09. - 01.10.2020, digital

Häufige Nutzung von Notaufnahmen in Deutschland: Eine sektorenübergreifende Sekundärdatenanalyse auf Basis von Versichertendaten der AOK

Meeting Abstract

  • Anna Slagman - Charité – Universitätsmedizin Berlin, Notfall- und Akutmedizin CVK, CCM, Berlin, Deutschland
  • Patrik Dröge - Forschungsbereich Qualitäts- und Versorgungsforschung, Wissenschaftliches Institut der AOK AOK-Bundesverband, Berlin,
  • Thomas Ruhnke - Forschungsbereich Qualitäts- und Versorgungsforschung, Wissenschaftliches Institut der AOK AOK-Bundesverband, Berlin,
  • Antje Fischer-Rosinský - Charité – Universitätsmedizin Berlin, Notfall- und Akutmedizin CVK, CCM, Berlin, Deutschland
  • Stephanie Roll - Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie, Charité Universitätsmedizin Berlin, Berlin,
  • Thomas Keil - Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie, Charité Universitätsmedizin Berlin, Berlin,
  • Martin Möckel - Charité – Universitätsmedizin Berlin, Notfall- und Akutmedizin CVK, CCM, Berlin, Deutschland

19. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). sine loco [digital], 30.09.-01.10.2020. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2020. Doc20dkvf114

doi: 10.3205/20dkvf114, urn:nbn:de:0183-20dkvf1143

Published: September 25, 2020

© 2020 Slagman et al.
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Text

Hintergrund: Um eine dauerhaft hohe Versorgungsqualität in Notaufnahmen in Deutschland zu gewährleisten, müssen Ursachen für die zunehmende Überfüllung von Notaufnahmen erforscht werden um geeignete Maßnahmen zur Reduktion der Fallzahlen zu entwickeln. Neben nicht-dringlichen Inanspruchnahmen, kommt auch der vermehrten wiederholten Inanspruchnahme von Notaufnahmen durch einzelne Patient*innen eine besondere Bedeutung zu.

Zielsetzung: Quantifizierung und Charakterisierung von häufigen Nutzungen der Notaufnahmen (drei oder mehr Inanspruchnahmen im Jahr) in Deutschland in AOK-Routinedaten.

Methode: Deskriptive Analyse der Häufigkeit der Inanspruchnahme von Notaufnahmebehandlungen sowie des Diagnosespektrums auf Basis von AOK-Routinedaten aller volljährigen AOK-Versicherten, welche im Kalenderjahr 2016 eine Notaufnahmebehandlung in Anspruch genommen haben (EBM 01210 ff.; Aufnahmegrund Notfall („xx07“)). Die Häufigkeit der Nutzung der Notaufnahmen wurde in den Kategorien 1–2 Inanspruchnahmen, 3–9 Inanspruchnahmen und ≥ 10 Inanspruchnahmen pro Kalenderjahr analysiert. Diagnosen wurden als dreistellige ICD-10 Codes analysiert.

Ergebnisse: Insgesamt wurden 5.168.105 Notaufnahmeinanspruchnahmen von 3.460.459 Versicherten analysiert. Eine Nutzung von ≥ 3 Inanspruchnahmen im Kalenderjahr kam bei 27,6% der Versicherten vor (n=1.426.831). Davon nahmen 1.369.459 Versicherte die Notaufnahme 3- bis 9-mal in 2016 in Anspruch und 57.372 Versicherte 10-mal und öfter. Der häufigste ambulante Vorstellungsgrund war in der Gruppe mit 3-9 Inanspruchnahmen das Vorliegen von Bauchschmerzen (R10) mit 29.944 Fällen (6,7%), bei ≥10 Inanspruchnahmen hingegen die psychische oder Verhaltensstörung durch Alkohol (F10) mit 2.525 Fällen (16,9%). Bei den stationären Aufenthalten war in der Gruppe mit 3-9 Inanspruchnahmen die Herzinsuffizienz (I50) mit 56.729 Fällen die häufigste Entlassdiagnose (6,2%), während in der Gruppe mit ≥10 Inanspruchnahmen die F10 mit 8.935 Fällen die häufigste Entlassdiagnose darstellte (21,1%).

Diskussion: Wiederkehrende Inanspruchnahmen mit drei oder mehr Notaufnahmebesuchen pro Kalenderjahr machen fast ein Drittel und damit einen erheblichen Anteil der Notaufnahmebehandlungen von AOK-Versicherten aus. Notaufnahmen scheinen auch ein primärer Anlaufpunkt für Personen mit Suchtproblematik zu sein. Diese Gruppe sollte in zukünftigen Projekten insbesondere unter gesundheitlichen Gesichtspunkten, aber auch hinsichtlich möglicherweise vorliegender sozialer Begleitumstände charakterisiert werden. Die größere Gruppe der Versicherten mit drei bis neun Präsentationen erscheint hinsichtlich der Diagnosen heterogener.

Praktische Implikationen: Zielgerichtete Interventionen in spezifischen Gruppen könnten zum Beispiel eine Weiterversorgung in spezialisierten Einrichtungen in Anschluss an die Notaufnahmeversorgung beinhalten. Diese würden gegebenenfalls dazu beitragen die häufige Nutzung von Notaufnahmen zu reduzieren und Patient*innen adäquate und möglicherweise sogar besser geeignete Hilfsangebote bei medizinischen und gegebenenfalls auch sozialen Leistungserbringern zukommen zu lassen.