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Identifikation und Priorisierung relevanter Notfallszenarien in Pflegeheimen: Multimethodale Expertenworkshops im G-BA geförderten Projekt NOVELLE
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Published: | September 25, 2020 |
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Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Notfallszenarien in Pflegeheimen führen zu einer steigenden Anzahl von Rettungsdiensteinsätzen und Krankenhauseinweisungen. Die kontinuierliche Versorgung der Heimbewohner*innen wird unterbrochen, was sich negativ auf den Gesundheitszustand auswirken kann und zu vermeidbaren Kosten führt. Der Umgang mit Notfallszenarien wird durch auftretende Unsicherheiten, Kommunikationsprobleme und unklare Zuständigkeiten erschwert. Zudem bleiben die dokumentierten Behandlungswünsche der Heimbewohner*innen oft unbeachtet. Das Forschungsprojekt NOVELLE (Förderkennzeichen: 01NVF18007) zielt darauf ab, unter Berücksichtigung des Bewohnerwillens ein sektorenübergreifendes Notfall- und Verfügungsmanagement zu entwickeln und Handlungsempfehlungen für Pflegekräfte zu erstellen. Als Grundlage dafür werden in dieser Studie relevante Notfallszenarien exploriert.
Fragestellung und Zielsetzung: Charakterisierung, Identifizierung und Priorisierung relevanter Notfallszenarien in Pflegeeinrichtungen.
Methode: Im Januar und Februar 2020 wurden drei interprofessionelle Expertenworkshops mit jeweils 16 bis 17 Expert*innen aus stationären Pflegeeinrichtungen, medizinischen Einrichtungen (z.B. Notfallmedizin, Rettungsdienst, Allgemeinmedizin, Geriatrie) und Wissenschaft durchgeführt. Die Inhalte wurden sukzessiv aufeinander aufgebaut und im Rahmen eines multimethodalen Ansatzes durch Fokusgruppendiskussion, berufsgruppenhomogene und -heterogene Kleingruppenarbeit und Standogramm bearbeitet. Protokolle und Mind Maps wurden inhaltlich strukturierend qualitativ ausgewertet.
Ergebnisse: Notfallszenarien in Pflegeheimen entstehen aus einem Zusammenspiel von medizinischen Notfallsituationen (Symptome, Beschwerdebilder, Ereignisse) und Kontextbedingungen (organisatorisch-strukturell, ethisch, politisch-rechtlich). Aus Perspektive der Pflegekräfte wurden vor allem Zustandsveränderungen bei Heimbewohner‘*innen und unzureichende Kontextbedingungen wahrgenommen, bei ärztlichen Teilnehmenden hingegen Diagnosen. Als relevante medizinische Notfallsituationen wurden genannt: Sturz, entgleiste Vitalwerte, auffälliges Verhalten, neurologische Symptome, Leblosigkeit, Luftnot, Schmerzen und akute Probleme bei Palliativpatien*innen. Als wichtigste Kontextbedingungen für das Zustandekommen von Notfallszenarien wurden angeführt: Kommunikation zwischen den Akteuren, Unsicherheiten bei Leitungs- und Pflegekräften, fehlende Patientenverfügungen und Arbeitsverdichtung in der Pflege.
Diskussion: Die identifizierten Notfallszenarien bilden eine wichtige Voraussetzung für die Erstellung von Handlungsempfehlungen für Pflegekräfte. Dabei sollten kontinuierlich die Perspektive der Pflege und die Kontextbedingungen berücksichtigt werden.
Praktische Implikationen:
- In der Wahrnehmung von Notfallszenarien existieren interprofessionelle Unterschiede zwischen Pflegenden und Ärzt*innen
- Häufig entstehen erst durch unzureichende Kontextbedingungen versorgungsrelevante Notfallszenarien
Förderung: Forschungsprojekt NOVELLE, Sektorenübergreifendes & integriertes Notfall- und Verfügungsmanagement für die letzte Lebensphase (Förderkennzeichen: 01NVF18007).